piwik no script img

Verschleppte öffentliche InvestitionenMehr Vorsorge, bitte

Kommentar von Wolfgang Mulke

Die dramatische Lage des Bahnnetzes und der Kraftakt der Energiewende zeigen: Es ist besser, rechtzeitig in das Richtige zu investieren.

Viele Mängel: Schienenstränge am Münchner Hauptbahnhof Foto: Peter Kneffel / dpa

B ahnreisen bleiben auf nicht absehbare Zeit ein Glücksspiel. Es wird noch Jahre dauern, bis das Schienennetz wieder halbwegs funktionstüchtig ist. Das gibt die Bundesregierung nun auch zu – die erste übrigens, die das wagt. Die Situation auf den Gleisen haben alle Regierungen zuvor, auch unter Beteiligung aller drei Ampelparteien, schöngeredet. Denn sie hätten für eine gute Instandhaltung Geld in die Hand nehmen müssen, ohne daraus großen politischen Gewinn einzustreichen. Beifall der Wähler gibt es für eine rechtzeitig ausgetauschte Weiche eben nicht.

Vorsorge wird nicht belohnt. Das ist ein gravierender Systemfehler. Die Folgen sind bei der Bahn exemplarisch zu beobachten. Die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur nimmt bis hin zu Streckensperrungen immer mehr ab. Die Kosten für die Sanierung steigen in unermessliche Höhen. Das gilt auch für andere Bereiche der Infrastruktur, die Energiepolitik ist ein ebenso anschauliches Beispiel: Wider besseres Wissen wurde der Ausbau der erneuerbaren Energien hinausgezögert, der Krieg zwingt das Land nun zum schnellen Umstieg.

Die Kosten für die schnelle Befreiung von Abhängigkeiten bei Energieimporten übersteigen die der unterlassenen frühzeitigen Investitionen in eine Energiewende bei Weitem. Es war halt bequemer, darauf zu verzichten. Es hätte auch Wahlchancen verringern können, weil den Bürgern etwas abverlangt worden wäre.

Aus dem Versagen lässt sich lernen, dass eine vorsorgende Wirtschaftspolitik den Wohlstand schützt und die Krisengefahr verringert. Das erfordert aber auch ein Umdenken bei den Menschen. Sie sollten lernen, dass eine fordernde Vorsorge auf lange Sicht besser für sie ist als immer größere Reparaturen von Versäumnissen. Aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Es stellt sich die Frage, ob und wie Regelwerke verändert werden müssen, um die Daseinsvorsorge im wahrsten Wortsinne verbindlich zu sichern. Mindeststandards für die Infrastruktur, etwa eine Art Mindesthaltbarkeit oder -zukunftsfähigkeit, wären ein Weg dahin.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Tja, " ...es hätte auch Wahlchancen verringern können..." Das ist die Grundlage der Politik inzwischen aller ! Parteien. Vorneweg marschiert die FDP im Gleichschritt mit der CSU. Gesamtverantwortung? Ach was! Das ist was für Spinner. Der Blick richtet sich auf die Wahlumfragen, alles andere ist nachrangig. Nie hätte ich gedacht, einmal so pessimistisch zu reden....

    • @Perkele:

      Ja ganz ganz langsam beginnen viele das System zu begreufen....