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Lernen durch Handeln im aktuellen Kontext

Das Konzept der Handlungspädagogik bildet eine schlüssige Ergänzung zur Waldorferziehung

Die anthroposophische Päda­gogik basiert auf Selbsterziehung des Kindes. Aufgabe der Päd­ago­g:in­nen ist es, eine Umgebung dafür zu schaffen. Die Voraussetzungen zur Erfüllung dieser Aufgabe haben sich in den über hundert Jahren, seit Gründung der ersten Waldorfschule grundlegend geändert. Das Modell der Handlungspädagogik, in deren Mittelpunkt der praktisch übende Zugang zur Welt steht, bietet nun eine Möglichkeit, die entwicklungspädagogischen Waldorf-Ideale neu aufzustellen.

Aus der Sicht Steiners entwickelt der Mensch seine Persönlichkeit durch die unmittelbare Begegnung mit der Erde. Voraussetzung dafür ist, dass er in Kindheit und Jugend die Vielfalt der Erde, ihrer Stoffe und Kräfte mit allen Sinnen und in der Gemeinschaft mit anderen erfahren kann. Nur so findet das Kind seinen Platz in der Welt und kann sorgsam mit der Erde und ihren Geschöpfen umgehen. Die Erziehenden sollen den Kindern durch ihre eigenen Handlungen in den Bereichen Hauswirtschaft, Gartenbau und Handwerk ein Vorbild sein, das die Kinder im Idealfall aus eigenem Antrieb nachahmen und verinnerlichen. Doch wie kann man dieses Umfeld in der Gegenwart und gegebenenfalls auch in städtischer Umgebung realisieren?

Die Freie Waldorfschule Marburg hat ein Projekt ins Leben gerufen, das sich genau dieser Herausforderung stellt. Für das Schuljahr 2022/23 wurde erstmals eine Klasse mit zwölf Kindern gebildet, die den Schwerpunkt auf das praktische Tun und die Verbindung zur Natur legt. Miriam Watson-Kastell ist die Klassenlehrerin dieser „Bienenklasse“. Mit den Ideen der Handlungspädagogik hatte sie sich schon länger beschäftigt. Als eine Reduzierung der Größe der Eingangsklassen angestrebt wurde, nutzte sie mit Unterstützung der Schulleitung die Chance, diese Klasse einzurichten.

„Durch Corona waren wir gewohnt, flexibel zu arbeiten und offen mit neuen Ideen umzugehen“, erzählt die Päda­go­gin. „Darüber hinaus hat die Pandemie uns noch einmal deutlich gezeigt, dass die Gesundheit der Kinder im Vordergrund stehen muss.“ Gleichzeitig greife diese Form des Unterrichts den wichtigen Aspekt der Erziehung zur Nachhaltigkeit auf. Für ihre „Bienen“ geht es nun täglich nach dem Fachunterricht im Klassenzimmer zur „Schaffenszeit“ hinaus ins Freie – im eigenen Garten nahe des Schulgeländes wird gepflanzt, gewerkelt, repariert und gebacken. Das Modellprojekt berücksichtigt den Bewegungsdrang, die Neugier und den Wissensdurst der Kinder. Und auch Miriam Watson-Kastell lernt täglich neu: „Ich bin hier als komplette Persönlichkeit mit all meinen Facetten gefordert.“ Cordula Rode

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