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Verfolgung der Freidenker

Am 17. März jährte sich zum 90. Mal der Überfall der SA auf die Zentrale des Deutschen Freidenker-Verbandes in Berlin-Kreuzberg

Von Robert Mießner

Der Hauseingang der Gneisenaustraße 41 in Kreuzberg ist von Firmenschildern gerahmt. Neben den Business Solutions und dem Event Support erinnert eine metallene Gedenktafel an Max Sievers (1887–1944): „Die Gedanken sind frei“ steht über dem geprägten Porträt des Vorsitzenden des Deutschen Freidenker-Verbandes und Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus. Sievers kam aus Tempelhof, er ist in Rixdorf, dem heutigen Neukölln aufgewachsen. Hingerichtet wurde er in Brandenburg an der Havel. Seine Gedenktafel schließt mit dem Satz: „Aus diesem Haus am 17. März 1933 von Gestapo und SA vertrieben.“

Auf den Tag genau 90 Jahre später erinnerte am Freitag eine Gedenkstunde des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg, – der ist 1993 aus dem DFV hervorgegangen -, an den Sturm der Nazis auf das Haus in der Gneisenaustraße, das seit 1926 die Haupt- und Bezirksgeschäftsstelle der Freidenker beheimatete. Der Angriff der Herrenmenschen gehörte zu einem Bündel an Terrormaßnahmen, mit denen nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 die Naziherrschaft gefestigt wurde. Eine Woche nach der Besetzung des Freidenker-Gebäudes verkündete Hitler: „Indem die Regierung entschlossen ist, die politische und moralische Entgiftung unseres öffentlichen Lebens vorzunehmen, schafft und sichert sie die Voraussetzungen für eine wirklich tiefe Einkehr religiösen Lebens.“

Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, wies in seinem Redebeitrag darauf hin, dass im Mai 1933 ausgerechnet die Reichszentrale der „Evangelischen Beratungsstellen für kirchliche Angelegenheiten“ in die Gneisenaustraße 41 einzog.

Höhnischer Symbolakt

Das war ein höhnischer Symbolakt gegen eine sozialdemokratische Geschichte, an die Katrin Raczynski, Vorstandsvorsitzende des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg, erinnerte: „Der Deutsche Freidenker-Verband wurde 1905 von einem Dutzend Berliner Sozialdemokraten und einer Sozialdemokratin gegründet. Wir blicken also auf eine große demokratische und freiheitsliebende Tradition zurück.“ 1933 zählte der DFV 600.000 Mitglieder. Zur Arbeit des Verbandes gehörten Volkshochschulen und Erholungsheime für diejenigen, die in den Fabriken der Hauptstadt arbeiteten und ihre Hinterhöfe bewohnten.

Das war das Milieu, aus dem die Freidenker kamen und dem sie sich verbunden fühlten, betonte Hannah Lupper, SPD-Bezirksverordnete für Friedrichshain-Kreuzberg. Sie vertrat die Innensenatorin Iris Spranger. In deren Manuskript wurde der größte Geschäftsbereich des Freidenker-Verbandes angesprochen. Er war als ein Verein für Feuerbestattung gegründet worden. Das klingt heute banal, doch war damals im deutschen Kaiserreich eine Sensation – und auch eine Provokation gegenüber den Kirchen, die praktisch ein Monopol auf die Erdbestattung hatten und aus religiösen Gründen strikt gegen die Feuerbestattung als „heidnischen Brauch“ polemisierten. Die religiösen Gründe waren nicht zuletzt ökonomische. Abschließende Sätze kamen von der Plattform Berlin gegen Nazis, zu deren Netzwerk der Humanistische Verband gehört.

„Wenn wir zusammen gehen, gehen unsre Toten mit“, sang die Musikerin Isabel Neuenfeldt aus dem Arbeiterlied „Brot und Rosen“. Die Gedenkstunde führte dann vor den ehemaligen Sitz des Deutschen Freidenker Verbandes, vorbei an den Mosaikfliesen des Eingangsbereiches, zu der Gedenktafel für Max Sievers. Der war übrigens auch in den Parteien, deren Mitglied er war – Sievers ging von der USPD zur KPD, von ihr in die Kommunistische Arbeitsgemeinschaft (KAG) und dann zur SPD – Freidenker geblieben. In einer programmatischen Schrift hat er ausgeführt: „Sozialismus und Diktatur sind Begriffe, die sich gegenseitig ausschließen.“

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