Umweltaktivist über Wahlen in Nigeria: „Diese Wahl wird vieles klären“
Am Samstag findet die Präsidentschaftswahl in Nigeria statt. Der bekannte Umweltaktivist Nnimmo Bassey äußert sich dazu und zum Klimawandel.
taz: Herr Bassey, spricht bei Nigerias Wahlen irgendwer über den Klimawandel?
Nnimmo Bassey: Wir hatten in Abuja eine Versammlung mit allen Präsidentschaftskandidaten. Vier von ihnen erschienen und hatten etwas Verständnis, aber weil die meisten nicht kamen, kann man sich da nicht so sicher sein. Die Umwelt ist kein Wahlkampfthema gewesen. Es ist ein kritisches Thema für Nigeria aber die Politiker begreifen das offenbar nicht, oder sie denken einfach, man kann da nichts machen.
In Nigeria geht es bei Wahlen doch eher um Personen als um Themen…
Nichts ist in diesem Wahlkampf bösartiger als die persönlichen Attacken. Sie reden darüber, ob sie korrupt sind, oder Diebe oder Drogenhändler. Sie reden nicht über die Themen.
Nnimmo Bassey,63, ist seit Jahrzehnten Nigerias bekanntester Umweltaktivist. 2010 erhielt er den Alternativen Nobelpreis.
Sind Sie überrascht?
Nein. Viele Parteien haben eigentlich dasselbe Programm. Die meisten sind für Privatisierung und für das Erleichtern von Geschäften für jeden, der das Land ausbeuten will. Weil sich ihre Überzeugungen nicht unterscheiden, wechseln sie auch problemlos von einer Partei zur anderen. Wir hoffen, das sich das ändert. Die jüngeren Parteien mit jüngeren Kandidaten haben klarere Positionen, aber es gibt keinen Unterschied zwischen den großen Parteien.
Wie finden Sie das?
Wir haben gehofft, dass die Lage des Landes uns hilft, einen besseren Führer zu wählen. Fast alles ist zusammengebrochen. So zu wählen wie bisher bringt sicherlich dieselben Ergebnisse. Der Wirtschaftskollaps gibt mir Hoffnung, dass Nigerianer merken werden, dass man vielen dieser Führer, die seit Jahren recyclet werden, nicht vertrauen kann.
Seit Jahrzehnten erheben Sie ihre Stimme gegen Ölförderung und das Abfackeln von Gas. Was ist heute das wichtigste Klimathema?
Die fossilen Brennstoffe bleiben für mich das Thema Nummer Eins. Immer noch setzt abgefackeltes Gas Millionen Tonnen CO² frei, verschmutzt die Umwelt, schadet der Artenvielfalt, vertreibt Menschen und schafft viele Probleme. Auch Entwaldung und Küstenerosion sind große Probleme.
Nigeria hatte im vergangenen Jahr schwere Überschwemmungen…
Dessen sind sich alle Nigerianer sehr bewusst. Es gab 630 Tote im Oktober, nach offiziellen Zahlen. Die Menschen verstehen, dass das Klimawandel ist und dass die Politiker etwas tun müssen, Dämme bauen, um die Fluten aus Kamerun zu stoppen. Es werden weitere Fluten erwartet. Die Leute sitzen und warten. Sie haben sich von der letzten Flut nicht erholt und jetzt kommt die nächste.
In Deutschland hieß es 2005, dass Gerhard Schröder die Wahlen gewann, weil er Flutgebiete besuchte und den Menschen zuhörte. Wäre so etwas in Nigeria heute möglich?
Peter Obi betont immer, dass er bei den Überschwemmungen im Oktober vor Ort mit den Menschen war und Lösungen suchte. Das könnte manche überzeugen, aber ich weiß nicht, wie weit das die Ergebnisse beeinflussen würde.
Peter Obi scheint unter der jungen Generation beliebt zu sein…
Vieler junge Menschen halten ihn für die Alternative. Er kommt als vertrauenswürdig an. Seine Wahl ist für viele Menschen ein Protest, weil sie unterdrückt sind. Ich glaube, viele Nigerianer haben das Recyceln der alten politischen Führer satt. Aber er gehört irgendwie dazu, denn er ist auch schon lange in der Politiker. Wir haben auch viel neuere. Vielleicht ist Obi der Kandidat, den die anderen schlagen müssen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass er der PDP-Kandidat sein wollte und erst die Partei wechselte, als ihm das nicht glückte.
Steht Nigeria am Scheideweg?
Diese Wahl wird vieles klären, wenn wir einen Führer bekommen, dem die Menschen vertrauen. Nigerianer sind sehr gut darin, ihrer Führung zu folgen. Wenn es einen schlechte Führer gibt, folgen sie dem schlechten Führer; wenn es einen guten gibt, folgen sie dem guten. Wenn wir einen schlechten Führer haben, merken die Leute, dass alles erlaubt ist. Die Menschen müssen überleben, also tun sie was sie können. Es könnte also alles bleiben wie es ist, oder es könnte in kürzester Zeit dramatische Veränderungen geben. Aber das Klimathema wird nicht verschwindet. Wenn es angegangen wird, könnte das andere Dinge lösen, zum Beispiel die Massenauswanderung junger Menschen. Sie nennen es „japa“ – auschecken, abhauen. Viele junge Menschen hauen ab. Aber wenn sie merken, dass sich etwas ändert, könnte sich auch das ändern.
Dieses interview können sie auch auf Englisch lesen.
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