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Schwarze Pampe aufs gläserne Grundgesetz

Die Letzte Generation beschmiert eine Skulptur. Nancy Faeser spricht von einer „unwürdigen Aktion“

Von Tanja Tricarico

Diese Aktion sollte empören und provozieren – und hatte auf voller Linie Erfolg. Am Samstag hatten Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation das Werk „Grundgesetz 49“ des israelischen Künstlers Dani Karavan vor dem Jakob-Kaiser-Haus in Berlin nach eigenen Angaben „in Erdöl getränkt“. Auf Twitter veröffentlichte die Gruppe ihre Aktion, bei der mehrere Personen die Glasskulptur mit einer schwarzen, dickflüssigen Masse beschmieren. „Das Kunstwerk … zeigt die Artikel des Grundgesetzes. Wir haben heute gezeigt, wie die Regierung mit diesen umgeht“, heißt es in dem Tweet. „Erdöl verfeuern oder Grundrechte schützen? 2023 geht nur eines von beidem.“

Die Aktion sorgte – wie erwartet – nicht nur für enorme Aufmerksamkeit, sondern auch für scharfe Kritik. Und zwar parteiübergreifend. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete den Protest am Grundgesetzdenkmal als „völlig unwürdige Aktion“. In der Bild am Sonntag forderte sie die konsequente strafrechtliche Verfolgung der Beteiligten. Es gebe keinerlei Rechtfertigung dafür, die Grundrechte zu beschmieren – und das am Bundestag, dem Herz unserer Demokratie, so Faeser. Sie appellierte an die Letzte Generation, den „Rückhalt in der Gesellschaft“ nicht außer Acht zu lassen. Die Aktion an der Glasskulptur schade dem Klimaschutz.

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zeigte sich auf Twitter über die Botschaft der Aktion irritiert. „Sie kann nur falsch sein!“, twitterte Buschmann. Das Grundgesetz stehe für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. „Das gehört nie und für nichts in den Schmutz gezogen.“ Sein Parteikollege Konstantin Kuhle wittert gar eine Radikalisierung der Letzten Generation. „Diese Truppe“ könnte Kuhle zufolge früher oder später ein Fall für den Verfassungsschutz werden. Von den Grünen kam kurz und knapp ein „einfach nur daneben“ (Grünen-Chefin Ricarda Lang) und „Was für eine Scheiß-Aktion!“ (Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz).

Wie sehr die Protestaktion triggerte, zeigte der wütende Tweet von Michael Roth, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses. Es gehe den Aktivisten nicht um Grundrechte, sie zerstörten vielmehr Kunst „ähnlich wie die Taliban“, polterte der SPD-Politiker – und entfachte prompt einen Shitstorm. „Absolut würdelos und pietätlos dieser Vergleich, vor dem Hintergrund, dass die Taliban foltern, morden und vergewaltigen“, erklärte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger. Sie forderte Roth auf, den Tweet zu löschen. Dessen Steilvorlage wurde dagegen in der CSU dankend aufgenommen. CSU-Politiker Florian Hahn sieht durchaus Parallelen zu den Taliban. „Dieses Monument der Demokratie zu schänden, ist einfach nur widerlich“, teilte Hahn mit.

Geschmacklos oder gerechtfertigt in der Klimakrise – die Letzte Generation hat für viel Wirbel gesorgt. Das Kunstwerk scheint aber unbeschädigt. Laut Berliner Polizei wurde kein Erdöl verwendet, sondern Tapetenleim und Dispersionsfarbe. Zur Glasskulptur an der Spreepromenade gehören 19 jeweils rund drei Meter hohe Scheiben. Darin sind die 19 Grundrechtsartikel des Grundgesetzes eingraviert. (mit epd)

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