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Biennale im südindischen KeralaTinte, Wasser und Erde

Die Kochi-Muziris Biennale in Südindien lenkt den Blick auf regionale Kunst und hat viel zu erzählen. Die Organisation kämpfte mit Schwierigkeiten.

Eine Besucherin der Biennale ist vertieft in eine Wand voller Zeichnungen Foto: Kochi Biennale Foundation

Sie bleiben irgendwie zwiespältig, die Großschauen für zeitgenössische Kunst auf dem Globus, wie die jetzt stattfindende Sharjah Biennial in den Vereinigten Emiraten, finanziert von einem Herrscherhaus, oder die Kochi-Muziris Biennale im lokal kommunistisch regierten Bundesstaat Kerala, deren Stiftung von vielen Sponsoren unterstützt wird.

Regionale Kunst soll dank dieser Schauen global sichtbar sein. Wer kennt sonst die nachdenklich stimmenden Tuschearbeiten über die Vertreibung Indigener des Bangalen Joydeb Roaja? Oder die hängenden bläulichen Buchstaben, mit denen die Künstlerin Najmun Nahar Keya kürzlich beim Dhaka Art Summit in Bangladesch eine feministische Sicht auf die Astrologin Khana eröffnete? Denn die zur Zeit des europäischen Hochmittelalters lebende Khana hatte männliche Neider. Sie schnitten ihr die Zunge heraus, um die kluge Frau zum Schweigen zu bringen, so die Legende.

Das globale Kunstpublikum aber kann diese zeitgenössischen Werke nur mit einem ökologischem Fußabdruck sehen. Die Veranstalter des Dhaka Art Summit empfahlen, die eigene Kunstschau auf dem Heimweg nach Europa mit Stopp in Kochi und dann in Schardscha zu verbinden.

Als aber dann Mitte Dezember Journalist:innen, Ku­ra­to­r:in­nen und Samm­le­r:in­nen aus aller Welt ins verschlafene Fort Kochi flogen, war die indische Biennale entgegen ihrer Ankündigung erst teileröffnet.

Unordnung zum Start

Die Wandfarbe im Hauptgebäude der Kunstschau war noch feucht, hier war gerade zum Schrecken vieler ein Horrorfilm gedreht worden. Die Eröffnung der fünften Kochi-Muziris Biennale (KMB) mit dem Titel „In Our Veins Flow Ink and Fire“ musste spontan um zwei Wochen nach hinten verlegt werden.

Die Biennale

„In Our Veins Flow Ink and Fire“: Kochi-Muziris Biennale, bis 10. April 2023

Zur Befürchtung von 50 der teilnehmenden Künst­le­r:in­nen, die kurz darauf in einem offenen Brief die Zukunft der Biennale überhaupt in Frage gestellt sahen. Die künstlerische Leiterin in Kochi, Shubigi Rao, bereitete derweil im Aspinwall-Haus weiter ihre Ausstellung vor, das Privatanwesen war erst kurz zuvor zugänglich geworden, zu spät.

„Hier gibt es Wut, Humor, Scham, Erschrecken, und es ist in Ordnung, diese Unordnung zu haben“, äußerte sich Shubigi Rao zu dem Chaos. Im Innenhof des ehemaligen britischen Baus stand aber bereits eine meterhohe begehbare Bam­bus­skulp­tur aus Stäben, Fasern und Blättern des indischen Künstlers Asim Waqif.

Versunkenes Dorf

Von den 90 beteiligten Einzelpersonen und Kollektiven der Biennale kommt die Hälfte aus Asien, insbesondere aus Indien, andere aus Europa, den USA, arabischsprachigen Ländern und einigen Inseln wie Martinique in der Karibik. Dazu gehört Sahil Naik, der in einem ganzen Raum ein versunkenes Dorf aus Goa mit örtlichen Materialien nachgebaut hat.

Der Boden ist aus rötlichem Sand, dunkle Ziegel deuten den Umriss eines Brunnens an. Es riecht mulmig. Neben den Mauerresten der Siedlung, die einem Stausee weichen musste, hat Naik die Gesänge der Einheimischen aufgenommen. Die Klangkulisse erzeugt Kopfkino. Für die einen das Erinnern an die verschwundene Heimat, für andere streifen die Gedanken in eine imaginierte Vergangenheit ab.

Der Konzept- und Performancekünstler Amol K Patil aus Mumbai thematisiert die extremen Bedingungen, unter denen Sa­ni­tär­ar­bei­te­r:in­nen in Westindien leben und arbeiten müssen. Krankheiten und Alkoholismus, Gestank und Demütigung bestimmen diese.

Sahil Nalik hat in Kochi die Ruinen eines Dorfes nachgebaut, das für einen Staudamm überflutet wurde Foto: Swanoop John, Kochi Biennale Foundation

Patil zeichnet Füße auf Papier oder bildet zerschundene Hände und Rücken aus Metall nach. Die Instal­lation in Kochi knüpft an seinen Beitrag auf der documenta 15 an. Shubigi Rao ist wie die künstlerischen Leiter der umstrittenen documenta, das Kollektiv ruangrupa, mit der in Singapur arbeitenden Kuratorin Ute Meta Bauer vernetzt. Bauer war auch zur Eröffnung anwesend. Manchmal können die Wege in der Kunst kurz sein, trotz großer Distanzen.

„Um Geschichten, die ständig neu geschrieben werden“ geht es Pio Abad und Frances Wadsworth bei ihrer 3D-Rekonstruktion eines bekannten Schmuckstücks. Es ist einer Tiara der letzten russischen Zarin Alexandra Fjodorowna nachempfunden. Bis zur Russischen Revolution gehörte sie den Romanows, war dann verschwunden und tauchte bei der Familie des Diktatoren Ferdinand Edralin Marcos auf den Philippinen wieder auf. Das Künstlerduo zeichnet den Weg der originalen Tiara nach, durch Revolutionen, Auktionen, das koloniale Erbe der Philippinen.

Auch der Krieg in der Ukrai­ne taucht auf, in Südindien, wo das tägliche Überleben schwerer wiegt als ein Krieg im fernen Europa. Zhanna Kadyrova zeigt ihre mittlerweile berühmt gewordenen Flusssteine in Form von Brot, eine friedliche Metapher; doch die Steine könnten auch eine Waffe werden.

In Fort Kochi geht es letztlich um mehr als um Kunst. Die Biennale verändert das Stadtbild und den Blick auf Gegebenes. Lagerhäuser werden plötzlich zu Ausstellungsorten und Performances hauchen längst dahinrottenden Bauten ein eigenwilliges Leben ein.

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