SZ-Podcast über Sportwetten: Das Spiel endet nie
Ein neuer Podcast erzählt tiefschürfend und spannend vom problematischen Phänomen Sportwetten. Süchtige wie auch Wettbürobetreiber kommen zu Wort.
Island gilt nicht gerade als Basketballnation. Trotzdem gibt es in Deutschland Menschen, die ganz genau wissen, dass der IR Reykjavík zuletzt gegen Tindastóll in der ersten isländischen Basketballliga verloren hat; oder wie es gerade um Rugby in Frankreich und Eishockey in Österreich steht.
Menschen, die all das auf dem Radar haben, sind oft nicht nur fanatische Sportfans. Denn auf all diese Sportereignisse lässt sich ganz bequem online oder in deutschen Wettbüros Geld setzen und mit etwas Glück auch gewinnen. Es sind Menschen wie Paul, der von sich sagt, dass er auf bis zu 15 verschiedene Sportarten gewettet hat. Dass er sogar Boulevardmedien studierte, um herauszufinden, welcher Tennisspieler sich gerade von seiner Freundin getrennt hat, nur um einen möglichen Ausgang des anstehenden Matchs besser voraussagen zu können.
Paul ist einer der Protagonisten im Podcast „Verzockt – das System Sportwetten“, einem Projekt von Spotify und Süddeutscher Zeitung. Host Anton Stanislawski versucht darin herauszufinden, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass Deutschland sich heute im Sportwetten-Rausch befindet. Denn Sportwetten boomen. Knapp 10 Milliarden Euro Umsatz werden damit pro Jahr in Deutschland generiert. Ein Großteil der Teams der Ersten und Zweiten Fußballbundesliga haben mittlerweile einen Wettanbieter als Sponsor. Die Banden in den großen Stadien sind voll von Werbung mit Glücksversprechen, und online posten Streamer wie Montana Black (2,9 Millionen Follower bei Youtube) mit einer sehr jungen Zielgruppe stolz ihre Wettscheine. Sportwetten als großer Spielspaß für alle.
Schon der niederländische Kulturtheoretiker Johan Huizinga rief den „Homo ludens“, den spielenden Menschen aus. Das Spiel wird, sagt er, begleitet von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des Andersseins als das gewöhnliche Leben. Die Frage ist nur: Was ist, wenn das Spiel in das gewöhnliche Leben eindringt und zum Problem wird?
Am Anfang geht das gut
Auch davon erzählt Paul im Podcast. Als Minderjähriger leiht er sich heimlich den Ausweis des Vaters, um zu wetten. Irgendwann beschäftigt er sich den ganzen Tag mit Quoten und Strategien für einen möglichst hohen Gewinn. Während andere bei Problemen eine schnelle Zigarette rauchten, wettet Paul.
„Verzockt – das System Sportwetten“ (Spotify & Süddeutsche Zeitung), nächste Folge online ab Freitag, 25. 1.
Am Anfang geht das gut. Hier und da ein drei- oder vierstelliger Gewinn. Doch irgendwann sind da Schulden, und als er Geld von seiner Mutter klauen will, fliegt alles auf. Sportwetten, das zeigt der Podcast, können zu einem riesigen Problem werden. Wie viele Wettsüchtige es in Deutschland gibt, ist nicht genau erfasst. Die Dunkelziffer ist zu hoch. Und auch im Hintergrund geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Die ersten beiden Folgen des sechsteiligen Podcasts beschäftigen sich nicht nur mit der Suchtgefahr von Sportwetten. Stanislawski erklärt zusammen mit Expert*innen auch die Geschichten des Wettgeschäfts in Deutschland und die Hintergründe von einem der großen Buchmacher: Tipico.
Man erfährt, dass es in Deutschland lange ein staatliches Monopol auf Sportwetten gab, darüber hinaus nur Pferdewetten erlaubt waren, dass Privatanbieter ihre Firmensitze hauptsächlich in Malta haben, um Steuern zu sparen. Stanislawski führt ruhig durch das Thema, lässt sowohl Süchtige als auch Wettbürobetreiber und -Kritiker zu Wort kommen. „Verzockt – das System Sportwetten“ ist nicht alarmistisch, sondern als tiefschürfende Recherche angelegt, die alle Nuancen des Themas abdecken will. In den ersten beiden Folgen gelingt das gut, und auch die dritte Folge verspricht Spannung: Es geht um manipulierte Fußballspiele.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!