piwik no script img

Gesprengte GeldautomatenGekniffen ist der Kunde

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

In Niedersachsen steigt die Zahl der Geldautomatensprengungen auf ein Rekordhoch. Ärgerlich ist, dass künftig die Kunden darunter leiden werden.

Die Banden sprengen weg, was im Weg ist – ohne Rücksicht auf Anwohner oder Passanten Foto: Erwin Pottgiesser/dpa

M al wieder gibt es in Niedersachsen Aufregung um Geldautomaten-Sprengungen. Das Phänomen ist schon länger bekannt: Weil niederländische Banken ihre Geldautomaten mit Schutztechnik nachgerüstet haben, treiben die auf dieses Geschäft spezialisierten Banden nun bevorzugt in Niedersachsen ihr Unwesen.

Das ist über die Autobahnen gut zu erreichen und noch viel schneller wieder zu verlassen, vor allem, wenn man sich nicht scheut, mit 300-PS-Karren ordentlich Gas zu geben, während die Polizei nur noch hinterhergucken kann. Für all dies hat der niedersächsische Innenminister Boris „Auch Sozis können Law & Order“ Pistorius nun einmal mehr markige Worte gefunden.

Bei seiner jährlichen Pressekonferenz zum „Lagebild organisierte Kriminalität“ geißelte er die Rücksichtslosigkeit dieser Banden – immerhin nehmen die mit ihrem Plastiksprengstoff locker in Kauf, das angrenzende Wohnhäuser beschädigt werden oder in Brand geraten, von der Verletzungsgefahr für Passanten oder andere Verkehrsteilnehmer bei den halsbrecherischen Fluchtfahrten einmal ganz zu schweigen.

Pistorius machte allerdings auch deutlich, dass er an dieser Stelle mehr von den betroffenen Banken erwartet. Die sollten – nach niederländischem Vorbild – ihre Geldautomaten nachrüsten und mit Farbbomben oder Klebetechnik dafür sorgen, dass die Beute unbrauchbar wird.

Die Banken sind beleidigt

Für den Fall, dass sie dies nicht in ausreichendem Maße tun, kündigte er schon einmal eine Bundesratsinitiative an, mit der man die unwilligen Banken in die Pflicht nehmen wolle. Das stößt nun wiederum einigen der betroffenen Bankenverbände ziemlich sauer auf, wie der Weser-Kurier zuerst berichtete.

Der zitiert aus einem Schreiben von Sparkassenverbands-Präsident Thomas Mang und den Vorständen von zwei Genossenschaftsverbänden an Pistorius: „Öffentlich verbreitete Pauschalvorwürfe und sachlich verkürzte Darstellungen helfen allen Beteiligten an dieser Stelle sicher nicht weiter.“

Immerhin sagen die Bänker, hätten sie bereits erhebliche Mittel investiert, vor allem in die Reduzierung von Fluchtmöglichkeiten, Vernebelungsanlagen, Einfärben der Geldkassetten und nächtliche Schließungen.

Im Übrigen gebe es ja schon lange Gespräche zu diesem Thema, eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen Ermittlungsbehörden, Kreditwirtschaft und Innenministerium sei aber bisher nicht unterzeichnet worden.

Maßnahme Nr. 1: Verkürzung der Öffnungszeiten

An der von Pistorius so gern hervorgehobenen Klebetechnik gebe es einen Haken – die sei bisher nämlich gar nicht zugelassen. Sie scheitert möglicherweise – das deutet zumindest das Hintergrundmagazin „Rundblick“ an – auch daran, dass die Bundesbank sich bisher weigere, die auf diese Art und Weise unbrauchbar gemachten Geldscheine zu ersetzen. Für die zerstörten Geldautomaten kommt dagegen in der Regel die Versicherung auf.

Gekniffen ist bei alldem mal wieder der Kunde. Maßnahme Nr. 1 der Banken ist nämlich häufig eine Verkürzung der Öffnungszeiten. Und wenn der Unterhalt von Geldautomaten deutlich teurer wird, kann man sich ausrechnen, dass dies ziemlich sicher den Abbau weiterer Standorte nach sich ziehen wird. So kann man dem viel beklagten Bargeldfetisch der Deutschen natürlich auch beikommen.

Die Frage ist nur, wer dabei nun wieder auf der Strecke bleibt: Vermutlich vor allem die Senior*innen, die auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen sind und solchen Dingen wie Kartenzahlungen und Onlinebanking eher skeptisch gegenüber stehen.

Die müssen ihr Bargeld möglicherweise künftig an der Supermarktkasse oder Tankstelle holen. Dieser Service wird immerhin immer weiter ausgebaut – bei manchen sogar schon ohne Mindesteinkaufswert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Es sind nicht nur die RentnerInnen, die Kartenzahlungen und Onlinebanking eher skeptisch gegenüber stehen, und ihre Datenspuren soweit wie möglich reduzieren wollen.

  • Das passt ja gut in die Strategie der Banken, das Servicenetz so weit irgend möglich auszudünnen. Denn Sprengstoffanschläge sind ja sicher ein gewichtiges Argument gegen ATM.

    Und wenn ich mir die ATM in den Niederlanden so anschaue: So sehr unterscheiden die sich ja von den hiesigen nicht - also müsste die "Schutzausrüstung" doch auch hier passen. Also will man nicht. Ganz offensichtlich.

    Und den Oberbänkern sei hier mal auf die Stirn geschrieben dass rumgeeire l'la „Öffentlich verbreitete Pauschalvorwürfe und sachlich verkürzte Darstellungen helfen allen Beteiligten an dieser Stelle sicher nicht weiter.“ sicher noch keinen einzigen Anschlag verhindert hat.

    Allerdings scheint mit die Politik auch kein rechtes Interesse zu haben - wäre es doch ein lauer Fingerschnipp, entsprechende Schutzmaßnahmen einfach in die technischen Vorschriften aufzunehmen.



    Bei Autos klappt das ja auch ohne Probleme. Z.B. mit "eCall" ...