: Profit aus Zwangsarbeit
Deutsch-chinesischer Rechtsstaatsdialog in Hamburg: Amnesty kritisiert China-Politik des Senats. GAL: Menschenrechte stärker einfordern
von Eva Weikert
Die Termine fielen nur zufällig zusammen: Am gestrigen Internationalen Tag des Flüchtlings begann in Hamburg der 6. deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog. Auf Bemühen des CDU-Senats tagt die Expertenrunde erstmals in der Hansestadt – liegt Hamburgs Zukunft aus Rathaussicht doch im Fernosthandel.
Wie in den Vorjahren werde aber die dunkle Seite des China-Booms auch diesmal totgeschwiegen, warnte die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) zur Eröffnung. Den Regierungen in Berlin und Beijing ginge es um Investitionssicherheit, Menschenrechte spielen „eine sehr untergeordnete Rolle“. Auch Hamburg als größter China-Standort in Europa „kommt seiner Verantwortung bei der Durchsetzung von Demokratie nicht nach“, griff ai den Senat an. Kritik an dessen China-Politik kam auch von Gewerkschaftsseite und der GAL.
Den Dialog vereinbarte die Bundesregierung mit China im Jahr 2000. Sie wolle durch verbesserte Rechtssicherheit soziale Stabilität und Investitionen fördern, so Hamburgs Staatliche Pressestelle. Auch die Menschenrechte sollten gestärkt werden.
„In den vergangenen Jahren ist da nichts passiert“, beklagte Dirk Pleiter, China-Experte bei ai-Deutschland: In der Volksrepublik werde jegliche politische Opposition unterdrückt, es gebe keine unabhängige Justiz. Die Rechtspraxis sei durch „höchst unfaire“ Prozesse geprägt und „enorm hohe Anwendung der Todesstrafe“. Folter sei offiziell verboten, aber sehr weit verbreitet. Ethnische Minderheiten würden systematisch verfolgt.
Faktisch rechtlos sind in China auch Arbeitnehmer: Wie Heino Bade von der IG Metall Küste beklagt, existieren keine unabhängigen Gewerkschaften. Betriebsräte und Tarifkampf gebe es nicht. Dazu herrsche eine „sehr hohe“ Lohndifferenz. Millionen Wanderarbeiter bildeten ein „Subproletariat“, das zu Dumpinglöhnen Ballungszentren „aus dem Boden stampft“, weiß Bade. Die Tagelöhner lebten „unter unvorstellbaren Verhältnissen auf den Baustellen“. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch westliche Firmen Wanderarbeiter beschäftigten.
Rund 700 Hamburger Firmen treiben derzeit Handel mit China, 360 chinesische Unternehmen waren 2004 hier registriert. Die Stadt ist Europas größter China-Hafen. Mehr als 50 hiesige Firmen sind allein in Hamburgs Partnerstadt Shanghai vertreten, dem wichtigsten Wirtschaftszentrums Chinas. Menschenrechtsfragen, so ai-Experte Pleiter, spielten aber in der Partnerschaft „eine sehr geringe Rolle. Dabei sind Einflussmöglichkeiten da“. Der Senat könne seine Kontakte nutzen, um etwa inhaftierten Dissidenten zu helfen oder bei Rechtsverstößen zu intervenieren. „Er kommt hier aber seiner Verantwortung nicht nach“, rügte Pleiter. „Der Senat nimmt China nur aus Wirtschaftssicht wahr“, warnte auch GALier Manuel Sarrazin und forderte, „die Menschenrechte stärker in den Blick zu nehmen.“
Zu Chinas Wirtschaftssystem gehört dem Menschenrechtsinstitut Laogai Research Foundation zufolge die Zwangsarbeit. Rund drei Millionen Gefangene schufteten in Arbeitslagern. Die Internierten produzierten alle Arten von Waren – auch für den Export. GAL-Fraktionsvize Christian Maaß mahnte die Hamburger Kaufleute, sich zu vergewissern, dass sie keine Ware aus Zwangsarbeit einführen: „Wer chinesischen Lieferanten keine kritischen Fragen nach Herkunft ihrer Billigware stellt, macht sich mitschuldig an schwersten Menschenrechtsverletzungen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen