Alternativen für WM-Muffel: Volle Karate-Konzentration

Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz Alternativen und stellt sie vor. Dieses Mal ein Sport von Andi, dem Karate-Meister.

Ausschnitt eines Körpers im Karateanzug

Übung macht den Meister: Karateka mit schwarzem Gürtel

Die Stille füllt den Übungsraum mit einer Intensität, die einem in der Großstadt fremd geworden ist. Nur die Uhr an der Wand tickt unerbittlich und verstärkt dadurch den Eindruck geballter Konzentration. Zu Beginn des Trainings ist erst einmal Schweigen auf den mintgrünen Matten angesagt.

Mein ehemaliger Geschäftsführer, der nun sein Rentnerdasein genießt, ist mir noch kurz zuvor im Treppenhaus in seinem weißen Karateanzug und schwarzen Straßenschuhen entgegengekommen, um mir den Weg zu weisen. Eingeladen hat er mich, an einem „normalen Mittelstufentraining beobachtend teilzunehmen“. Seine letzte Frage, ob ich mitmachen wolle, hat mich zu spät erreicht. Gut so, denke ich, im Verlaufe der Trainingseinheit.

Shotokan heißt die Stilrichtung, die hier gelehrt wird. Unter den Übenden, sieben Männer und drei Frauen, hätte ich gewiss eine klägliche Figur gemacht. Die Altersspanne ist groß. Vierzig Jahre vielleicht. Und auch die Gürtelfarben, welche das jeweilige Können markieren, bilden ein breites Spektrum ab. Orange, Grün, Blau und Braun wird getragen. Mein ehemaliger Geschäftsführer hat den schwarzen Gürtel um. Das Symbol des Meisters. Bei uns im Haus haben wir ihn Andi genannt.

Haltung ist schon bei den Aufwärmübungen mit den schweren Medizinbällen gefragt. Schweißtreibend, vergleichsweise aber noch ein Kinderspiel. Heute wird die Kata Bassai Dai eingeübt. Ein Solokampf gegen einen imaginären Gegner mit festgelegtem Bewegungsablauf. „Eins, zwei, drei, vier, füüüüüünf, sechs, sieben“, so gliedert der Trainer, ebenfalls Schwarzgurtträger, die Sequenzen.

Rauchende Köpfe

Was bei ihm so intuitiv und selbstverständlich ausschaut, ist äußerst komplex. Mir kommt das Wort Kampfkunst in den Sinn. Bei einigen scheinen die Köpfe zu rauchen. Der Trainer korrigiert hier und da. Auf der Suche nach der besseren Ausführung klammern sich manche Augenpaare an die Spiegelwand.

Das sei gar nicht immer so gut, erklärt mir Andi später. Ginge es doch darum, bei sich zu sein. Aber eigentlich gelingt das allen über weite Strecken. Dass heute ausnahmsweise jemand zuschaut, scheint in der Konzentrationsdichte niemand wahrzunehmen. Ich habe mich in meiner Anwesenheit selten so abwesend gefühlt.

Nur gegen Ende bei den Partnerübungen nimmt die Aufmerksamkeit etwas ab. Es wird ein wenig geredet, mal kurz gelacht. Der Trainer geht schnell dazwischen: „Nicht quatschen, meine Güte!“ Er fordert mehr Disziplin. Andi sagt später, es gebe hier sehr egalitäre Strukturen, der Trainer aber sei natürlich eine Autorität. Sonst ginge es nicht.

Ich komme auf den Gedanken, nach der Verbindung zwischen Karate und dem Berufsleben zu fragen. Andi sagt, ihm habe das viel geholfen. Techniken zur innerlichen Entspannung abzurufen, sich Angriffstechniken zu überlegen, zur Verteidigung auch mal vorwärts reinzugehen, jedes Augenzucken wahrzunehmen, fallen und wieder aufzustehen, nicht vor Angst einzugehen, wenn es mal ruppiger wird.

Aber bei dieser Trainingseinheit wird es nicht ruppig. Seiner noch nicht so versierten Trainingspartnerin zeigt Andi in all seiner Freundlichkeit bei einer Übung direkt vor meinen Augen, in welcher Griff- und Bewegungsfolge sie ihn am besten überwältigen kann. Danke für die Einladung!

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