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Saudi-arabische Potenz im GolfsportWir scheißen euch zu mit Geld

Ein Großteil der Golf-Weltelite lässt sich von einem saudi-arabischen Staatsfond einkaufen. Das führt zu einem neuen Clash der Kulturen.

Auch der Deutsche Martin Kaymer konnte den saudi-arabischen Verlockungen nicht widerstehen Foto: Seth Wenig/ap

I n Bälde, wenn die Katarerinnen und Katarer zum Event bitten, stehen schwere Verwerfungen an. So fallen zum Beispiel in dieser Zeitung die Kolumnen bis Jahresende aus, auch diese über Golfs Pracht und Irrwege. Deshalb ziehen wir eine Jahresbilanz schon jetzt und bleiben dabei geografisch am Golf. Dort, diesmal im Land der Saudis, spielt seit Jahresbeginn die Musik bei den professionellen Schlägerschwingern. In einer grotesken Kunstwelt, ohne dass jemand zuguckt.

Es geht um die neue Turnierserie LIV, gepampert mit mehr als 2 Milliarden Pe­tro­dollars. Wir berichteten bereits: Anfang 2022 hatten sich erste Profis für Antrittsgagen von teils, ja tatsächlich: dreistelligen Millionenbeträgen vom monströsen saudi-arabischen Staatsfonds einkaufen lassen. Mittlerweile ist ein Großteil der Weltelite übergelaufen, darunter Major-Sieger wie Dustin Johnson, Phil Mickelson, Sergio García, Bryson DeChambeau, auch Martin Kaymer. Kübelweise werden bei Turnieren zusätzliche Prämien ausgeschüttet, als wären die Ölprinzen Fans von Mario Adorf im großen Filmepos „Kir Royal“: „Isch scheiß disch so was von zu mit meinem Jeld, isch kleb disch zu von oben bis unten …“

LIV steht anmaßend-albern für 54, das entspricht einer Fabelrunde von 54 Schlägen, wenn jemand nur Birdies spielen würde (was noch nie vorkam). Vor LIV war Profigolf immerhin, na ja: einträglich, durchaus konservativ, manchmal auch triefend gestrig, aber immerhin sportlich relevant. Mit der Show-League LIV ist das Profigolf der Männer igitt geworden. Bald wurde mehr über die wenigen berichtet, die bockig den Dollartrögen widerstanden. Spaltung also auch in der Golfwelt, Geschichtsbücher werden einmal von der Wendemarke 2022 Zeugnis ablegen.

Die LIV hat viele Effekte. Die Zweiteilung in US-Golf hier und Europa da ist zunehmend aufgehoben. Bestes Beispiel ist der tapfer unbestechliche Nordire Rory Mc­Ilroy, wie auch Tiger Woods immun gegen alle Verlockungen der Öl-Adorfs. Lange war McIlroy in den USA unbeliebt als Titelkonkurrent für die eigenen Leute; mittlerweile ist er als eine Art moralische Instanz zum Wortführer gegen die LIV-Tour geworden und wird von den US-Zuschauern dafür gefeiert. Gut gegen Böse statt altes Kontinentaldenken USA gegen Europa. Übrigens sind auch die Spielerwaden von LIV betroffen: Die Cracks dürfen in kurzer Hose spielen, anders als bei den traditionellen Verbänden. LIV ist also gut für Hautkrebs.

Saudi-Tour auf Trumps Plätzen

Weltweit lassen Sportverbände das Fernsehen für Übertragungsrechte zahlen. In den golfverrückten USA überträgt bislang kein Sender. Das ärgert die Saudis. Aber nicht wegen ausbleibender Peanuts-­Mil­lio­nen an Einnahmen, sondern wegen fehlender Aufmerksamkeit. Also wollen sie selbst einkaufen: bei Fox Sports Networks, den Gesinnungsgenossen von Ex-Präsident Donald Trump, der die Saudi-Tour auch auf seine Plätze bittet. Golf als bezahlte Dauer­werbesendung. Den Deal eingefädelt hat angeblich Trump-Schwiegersohn Jared Kush­ner. An diesem Wochenende findet in Miami das Jahresfinale statt, im, so verkündet es die LIV, „world-class Trump National Doral Golf Club“.

Vor zwei Wochen spielten die LIVler daheim in Dschidda. Eine Handvoll Leute guckte vor Ort zu, marginale 17.000 verfolgten weltweit den Livestream auf Youtube. Selten wurde im Sport so viel Geld (über 10 Millionen Dollar bei diesem einen Turnier) vor so wenigen Augenzeugen ausgespielt. LIV absurd.

Weltranglistenpunkte gibt es für die Fahnenflüchtigen nicht mehr, sie dürfen auch nicht mehr als Gäste mitwirken im alten Zirkus. Und die Abtrünnigen sind raus beim Ryder Cup 2023, der im September in Rom stattfinden wird. Damit ist der Clasico USA gegen Europa, Highlight der Golfwelt alle zwei Jahre, nur noch als Resterampeveranstaltung vorhersehbar. Aber wetten, es denkt schon jemand nach über den neuen Clash der Kulturen zwischen nichtkäuflicher Tradition und den 54ern? Representing Golf vs. Representing Gier.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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