das wird: Profiteure der Pein
Drogenproduzenten mit erlesenem Geschmack und guten Kontakten: Patrick Radden Keefe hat ein beeindruckend recherchiertes Buch über die spendable Pharmadynastie Sackler geschrieben. Heute stellt er es in Hamburg vor
Lesung: Di, 25. 10., 19.30 Uhr, Hamburg Literaturhaus; sowie als Stream (alles Nähere auf www.literaturhaus-hamburg.de)
Patrick Radden Keefe: „Imperium des Schmerzes“. Übers. a. d. Amerik. von von Gregor Runge, Kattrin Stier und Benjamin Dittmann-Bieber. Hanserblau, Berlin 2022, 640 S., 36 Euro (E-Book 30,99 Euro)
Von Alexander Diehl
Sie sind eine der reichsten Familien der Vereinigten Staaten, reicher noch als die großen Familien des Goldenen Kapitalismus-Zeitalters, die Carnegies und Vanderbilts also. Nach den Sacklers aus New York, New York, heißen ein Flügel des Pariser Louvre und einer im Metropolitan Museum, gleich ein ganzes Museum für Archäologie in Peking, eine Bibliothek in Oxford. Ihren Namen tragen aber auch ein Graduiertenkolleg für Biomedizin an der Tufts University bei Boston und die medizinische Fakultät der Universität Tel Aviv. Nicht den Namen Sackler trägt das Unternehmen, das der Familie überhaupt so viel Geld einbrachte, dass sie dann wiederum Hunderte von Millionen spenden und stiften konnten: Verdient haben sie den größten Teil ihrer – geschätzt – 14 Milliarden mit einer Firma namens Purdue; deren bekanntestes Produkt: Oxycontin.
Unter diesem Namen vermarktete Purdue ab 1996 das Jahrzehnte bekannte, halbsynthetische Opioid Oxycodon; geschätzter Gesamtumsatz: 35 Milliarden US-Dollar. Purdue aber vermarktete das Medikament auf aggressive, auch innovative Weise. Oxycontin wird heute die zentrale Schuld an der „Opioidkrise“ gegeben, die in den Vereinigten Staaten mindestens 500.000 Menschenleben gekostet hat. Wo großflächig Arbeitsplätze verschwanden, wo überfälliger Strukturwandel aufgeschoben wurde oder seine Erfordernis gleich ganz geleugnet, schien die legal erhältliche, äußerst suchtgefährliche Droge eine Linderung nicht nur für körperliche, sondern auch gesellschaftliche Unbilden zu bieten. Blieb der legale – aber ja nicht kostenlose – Stoff aus, wegen des Geldes oder weil Ärzt*innen ihn doch nicht weiter verschrieben, half vielerorts gerne die organisierte Kriminalität aus.
Ihre Verantwortung haben Sacklers jahrzehntelang geleugnet, so lange es eben ging. 2022 einigte sich die zerstrittene Familie auf einen Vergleich mit den Behörden: Sie zahlte einen einstelligen Milliardenbetrag an das Suchthilfesystem – und erhielt Immunität vor zivilrechtlichen Forderungen. Von so manchem Museum indes ist der Name Sackler verschwunden. Ihre Produkte aber gibt es weiter, inzwischen haben auch europäische Länder die USA bei den Verschreibungszahlen überholt.
Wie das Mäzenatentum zur Kaltschnäuzigkeit passt und wie diese Familie wurde, was sie wurde, darüber hat der New Yorker-Autor Patrick Radden Keefe immer wieder geschrieben – zuletzt hat er aus seinem Wissen ein dickes Buch gemacht, das einen Rezensenten gar an die „Buddenbrooks“ denken ließ: eine Geschichte von Aufstieg und so etwas Ähnlichem wie Fall, geradezu wissenschaftlich recherchiert und dabei enorm lesbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen