piwik no script img

Rostige Helden

Gegen Manchester City beweist das zuletzt stark kritisierte Team vom FC Liverpool, dass es trotz seiner Betagtheit noch konkurrenzfähig ist

Von Hendrik Buchheister

Kurz vor Schluss erreichte das Spektakel zwischen dem FC Liverpool und Manchester City seinen wilden Höhepunkt. Nachdem Schiedsrichter Anthony Taylor ein Foul von Bernardo Silva an Mohamed Salah übersehen hatte, stürmte Jürgen Klopp die Seitenlinie hinunter und bedrängte den Vierten Offiziellen. Die Konsequenz für den Wutanfall war ein Verweis aus der Coaching Zone. Liverpools Trainer musste die letzten Minuten in den Katakomben verfolgen, konnte nach Abpfiff aber schon wieder Witze machen über seinen Ausbruch: „Ich weiß, dass ich in diesen Momenten so aussehe, dass es direkt eine Rote Karte wert ist. Wen interessiert da noch, was ich gesagt habe? Ich habe die Beherrschung verloren, das war nicht in Ordnung.“

Der Grund dafür, dass Klopp die Beherrschung zur Nachbesprechung vor der Presse wiedergefunden hatte, war dieser: 1:0 hatte Liverpool das Duell mit Meister und Titelfavorit Manchester City gewonnen. Es war ein überraschender Triumph für die Gastgeber. Nach dem schwächsten Saisonstart seit zehn Jahren ist Klopps Mannschaft ins Mittelfeld der Tabelle abgerutscht. Viele Beobachter hatten befürchtet, Pep Guardiolas Milliarden-Ensemble würde mit Erling Haaland Liverpool deklassieren und die Partie den finalen Beweis erbringen, dass die alternde Reds-Auswahl am Ende ist. Doch Klopps zuletzt rostige Helden um Virgil van Dijk, James Milner, Fabinho und den Siegtorschützen Mohamed Salah zeigten, dass die Nachrufe auf die Elf möglicherweise zu früh verfasst worden waren. Der Cham­pions-League-Sieger von 2019 und Meister von 2020 „kann vielleicht noch ein Stück der Straße fahren“ – so formulierte der Guardian die Erkenntnis des Spiels.

Der Sieg war die Folge eines taktischen Kniffs von Klopp. Zuletzt hatte er Salah auf dem rechten Flügel spielen lassen, was dazu führte, dass der seit Monaten formschwache Torjäger kaum noch gefährlich im Strafraum auftauchte. Unter der Woche schoss Salah beim 7:1 in der Champions League bei den Rangers aus Glasgow einen 6-Minuten-Hattrick, nach einer Einwechslung und – wichtiger – als Mittelstürmer. Gegen Manchester City begann er in der Mitte. Von dort entschied er in der 76. Minute das Spiel. Nach einem Abschlag von Torwart Alisson ließ er City-Verteidiger João Cancelo aussteigen und schob den Ball an Keeper Ederson vorbei ins Netz, und zwar so lässig wie in seinen besten Tagen in Liverpool. Klopp ließ Salah nach seinem erst dritten Liga­treffer ein Extralob zukommen: „Er hat ein außergewöhnliches Spiel gemacht, sein Treffer war Weltklasse.“

Klopps Gegenüber Pep Guar­diola erlebte wieder mal einen Ausflug nach Liverpool, der so unbequem war wie ein Besuch beim Zahnarzt. „This is Anfield“, lautete sein sarkastischer Kommentar zu einem annullierten Tor von Phil Foden und zitierte damit das Liverpool-Motto, das im Spielertunnel zu lesen ist. Schicksal und Schiedsrichter, das meinte Guardiola, seien Liverpool in Anfield wohlgesonnen. Der City-Trainer beklagte zudem, dass Zuschauer ihn mit Münzen beworfen hätten, wenn auch ohne Treffer.

Aufseiten von Liverpool gab es ebenfalls gegnerische Fankritik. Der Klub kritisierte auf seiner Website im Nachgang Fangesänge von Manchester-City-Anhängern, die auf die Katastrophen von Hillsborough und Heysel anspielten: „Wir sind zutiefst erschüttert, dass während des heutigen Spiels in Anfield abscheuliche Gesänge über Tragödien inFußballstadien aus dem Gästeblock zu hören waren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen