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Vorgezogene Neuwahlen in DänemarkEin Ende des Schlingerkurses

Die aktuelle Regierung ist kaum handlungsfähig. Vorgezogene Wahlen könnten das ändern. Umfragen belegen aber eine Politikverdrossenheit.

Mette Frederiksen, dänische Ministerpräsidentin, spricht bei einer Pressekonferenz am 5. Oktober Foto: Ritzau Scanpix/reuters

Stockholm taz | Am 1. November wird Dänemark ein neues Parlament wählen – sieben Monate vor dem geplanten Ende der Legislaturperiode. Die Ankündigung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kam am Mittwoch nicht unerwartet. Ihre seit Juni 2019 amtierende Regierung ist in einer Sackgasse gelandet.

Mit dem drittschlechtesten Wahlresultat der letzten 100 Jahre hatten die Sozialdemokraten 2019 eine Minderheitsregierung gebildet. Sie stützt sich auf weniger als ein Drittel der Mandate im „Folketing“ genannten Parlament. Für jede einzelne Entscheidung musste sich die Regierung erst eine parlamentarische Mehrheit suchen.

Weil Dänemark eine handlungsfähige Regierung brauche, stellte die sozialliberale Partei Radikale Venstre der Ministerpräsidentin schon im Juli ein Ultimatum: Entweder Neuwahlen oder die Partei, auf deren Stimmen sich Frederiksen bisher stützen konnte, werde spätestens am 6. Oktober ein Misstrauensvotum beantragen. Opfer eines Misstrauensvotums? Die Regierungschefin zog vorzeitige Neuwahlen vor.

Viele Medien rechneten schon am Dienstag mit einer entsprechenden Ankündigung bei der feierlichen Eröffnung der neuen Sitzungsperiode. Ebenso erging es wohl den insgesamt 17 von der Polizei genehmigten Demonstrationen vor Schloss Christiansborg. „Klimawahl“ proklamierten welche, ein Ja zur Atomkraft forderten andere. Mehrere Demonstrationen richteten sich gegen die hohen Energiepreise und die „Men in Black“, die in Opposition gegen die Corona-Einschränkungen entstanden, forderten wieder „Freiheit für Dänemark“.

Chaos in der Pandemie

Doch in Frederiksens 40-minütiger Rede ging es vor allem um Krisen: die Coronapandemie, die Dänemark unter ihrer Führung überstanden habe und die anstehenden Herausforderungen: Inflation, Krieg und Energiekrise.

Letztlich war es so etwas wie ihr Wahlkampfauftakt. Die Tageszeitung Information bezeichnete die Rede am Mittwoch als dramatisch und sentimental. Die Ministerpräsidentin wolle die Krisenstimmung ausnutzen und die DänInnen vor die scheinbaren Alternativen stellen: „Frederiksen oder Chaos“.

Einen Krisenbonus bräuchten die Sozialdemokraten dringend. Während der ersten Coronawelle erreichten sie bis zu 35 Prozent in Umfragen. Doch das war, bevor ihre Regierung immer chaotischer in der Pandemie agierte – was in der ungesetzlichen Abschlachtung von 15 Millionen Nerzen gipfelte.

Derzeit sieht es nach einem noch schlechteren Wahlresultat als 2019 aus: 23 Prozent. Wobei unter den WählerInnen offenbar eine generelle Politikverdrossenheit herrscht. Nach der letzten Wahl vertrauten in Umfragen 51 Prozent „grundsätzlich“ den PolitikerInnen des Landes. Mittlerweile sind es 26 Prozent. Davon dürfte vermutlich eher die Opposition profitieren.

Pattsituation absehbar

Unter den 14 Parteien, die zur Wahl antreten werden, befinden sich zwei, die zum ersten Mal dabei wären: Die Danmarksdemokraterna unter Vorsitz der ehemaligen Einwanderungsministerin Inger Støjberg, wurden erst im Juni gegründet und sind zwar bislang noch ohne eigentliches Programm, können laut Umfragen aber mit 11 Prozent rechnen. Damit wären sie aktuell die viertstärkste Partei.

Der ehemalige Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen gründete nach Verlassen der rechtsliberalen Venstre vor einem Jahr die Moderates. Deren Mandate könnten ausschlaggebend werden bei der zu erwartenden Pattsituation zwischen dem „roten“ Block von Ministerpräsidentin Frederiksen und dem „blauen“ Block der Opposition. Allerdings kündigte Løkke Rasmussen schon an, er unterstütze nur eine blockübergreifende Regierung.

Eine solche schwebt auch Frederiksen vor. Auf der ersten Wahlanzeige der Sozialdemokraten vom Mittwoch steht Frederiksen umgeben von den Vorsitzenden der Konservativen, Sozialliberalen, Rechtsliberalen und Sozialisten. Die Botschaft: Dänemark brauche breite Zusammenarbeit und „gemeinsame Lösungen für die großen Herausforderungen des Landes“.

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