Kinotipp der Woche: Die Ukraine im Jahr 2025

Goethe Insitut im Exil: Das ACUD zeigt Werke von Oleksandr Dovzhenkos, der zur wichtigen Bezugsfigur der ukrainischen Filmgeschichte wurde.

Drei Kinder sitzen vor einem leerstehenden Gebäude: Sie haben vor sich zwei Stative, links im Bild steuert ein älteres Mädchen eine Canon-Kamera, die Kinder blicken konzentriert auf das Display der Kamera

Wie nur den Donbass dokumentieren? Szene aus Iryna Tsilyks „The Earth is Blue as an Orange“ (2020) Foto: Goethe-Institut im Exil

Etwa ein Drittel von Oleksandr Dovzhenkos „Zemlya“ („Erde“) von 1934 vergeht bevor der Protagonist des Films auf der Leinwand erscheint. Die Be­woh­ne­r:in­nen des Dorfs lassen alles stehen und liegen und stürzen herbei, die Angehörigen des lokalen Komsomol stolzieren.

Die „Kulaken“ beugen sich fassungslos von der Anhöhe herab, von der sie eben noch stolz hinab blickten. Vasyl, menschliche Hauptfigur des Films, steuert ihn, den Traktor, der das eigentliche Zentrum der Handlung von Dovzhenkos Film ist, Richtung Dorf.

Die Abgase des Fordson-Putilovets nebeln die Komsomolzen tüchtig ein, aber all das kann den Stolz nicht mindern. Der sowjetische Nachbau eines amerikanischen Traktors wird Vasyl das Leben kosten. Die Maschine wirft nicht nur die überkommenen Arbeitsweisen der Bauern über den Haufen, sie pflügt auch soziale Hierarchien um.

„Zemlya“ ist ein Loblied auf die Kollektivierung der Landwirtschaft. Der ukrainisch-sowjetische Film wurde schon zeitgenössisch von Regiekollegen in aller Welt bewundert – von Eisenstein bis Paul Rotha.

Nach der Unabhängigkeit der Ukraine wuchs die Bedeutung Oleksandr Dovzhenkos als Bezugsfigur ukrainischer Filmgeschichte weiter, mit „Zemlya“ als einem zentralen Klassiker. Am Donnerstag läuft der Film nun mit neuer Musik der Band DakhaBrakha im Berliner Kunsthaus ACUD als Auftakt einer Reihe von ukrainischen Filmen. Das Filmprogramm ist Teil einer größeren Veranstaltungsreihe, die Kulturschaffende aus der Ukraine in Berlin präsentiert.

Ukrainische Kulturen in Berlin / Auftakt „Goethe-Institut im Exil“: Kunsthaus ACUD, 6.–9.10., Veteranenstr. 21

Diese Veranstaltungsreihe wiederum ist der Auftakt des Goethe-Instituts im Exil im Kunsthaus ACUD. Das Goethe-Institut im Exil soll, so die Pressemitteilung, „Kulturschaffenden stellvertretend für alle weltweit aus politischen Gründen geschlossenen Goethe-Institute einen Ort der Begegnung, Schutzraum und Bühne“ bieten.

Das Programm des Auftaktfestivals umfasst Theater, Musik, Performances, Lesungen, eine Kammeroper und Diskussionen. Das Filmprogramm wurde zusammengestellt von Nadia Parfan, Gründerin von takflix.com, einer Streamingplattform für ukrainischen Film.

Neben Dovzhenkos Klassiker läuft eine Auswahl von aktuelleren ukrainischen Filmen. Kate Gornostais „Stop-Zemlia“ ist ein Coming-of-Age-Film über zwei Schulfreundinnen, über Liebe und Krieg im letzten Schuljahr. 2021 gewann er den Gläsernen Bären der Berlinale. „My Thoughts are Silent“ von Antonio Lukich zeigt den ukrainischen Tontechniker Vadim auf einer skurillen Reise auf der Jagd nach Tieraufnahmen in Transkarpatien.

Eine Familie im Donbass will in Iryna Tsilyks Dokumentation „The Earth is Blue as an Orange“ kurz vor Beginn des neuerlichen russischen Angriffs auf die Ukraine einen Film über das Leben in der Region drehen, in die der Krieg schon Jahre früher eingefallen ist.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Der unheimlichste Film der Reihe ist Valentyn Vasyanovychs „Atlantis“ von 2019. „Atlantis“ blickt voraus ins Jahr 2025, ein Jahr nach dem Ende des Kriegs mit Russland und zeigt eine Gruppe Männer, einige von ihnen Stahlarbeiter, auf der Suche nach einem Leben nach dem Krieg.

Zu einigen der Filme wird es Gespräche mit den Fil­me­ma­che­r:in­nen geben. Film- und Veranstaltungsreihe sind eine Gelegenheit zu geballter Begegnung mit Kulturschaffenden aus der Ukraine.

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