Differenzen mit Patriarch Kyrill I.: Orthodoxe unter sich

Ein neues lettisches Gesetz veranlasst die Loslösung der lettisch-orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat. Dort ist man stramm auf Kremlkurs.

Patriarch Kyrill I. während einer Liturgie

Putin-Freund und Kriegstreiber: Patriarch Kyrill I. von Moskau und ganz Russland Foto: Artyom Geodakyan/imago

BERLIN taz | Die lettisch-orthodoxe Kirche brauchte einige Zeit für eine Stellungnahme. Die Synode rufe den Klerus und die Laien in Liebe dazu auf, eine friedliche Gesinnung zu wahren, die Einheit der Kirche zu unterstützen und die Gesetze des lettischen Staates strikt zu beachten, heißt es in einer Erklärung vom Samstag, die auf der Webseite der Kirche veröffentlicht wurde.

Am Donnerstag hatten 73 Abgeordnete des Parlaments (Saeima) bei drei Gegenstimmen und einer Enthaltung für eine Gesetzesänderung gestimmt, die die vollständige Loslösung der lettisch-orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat sowie eine Autokephalie (Eigenständigkeit) vorsieht.

Bisher unterstand die lettische Kirche, der rund 15 Prozent der knapp zwei Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen Lettlands angehören, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. In Moskau wurde unter anderem darüber mit entschieden, wer in Lettland Bischof werden durfte. Bis zum 31. Oktober muss die lettisch-orthodoxe Kirche ihr Statut nun dem neuen Gesetz anpassen.

Das Parlamentsvotum geht auf eine Initiative des lettischen Staatspräsidenten Egils Levits von Anfang vergangener Woche zurück. „Im unabhängigen demokratischen lettischen Rechtsstaat brauchen unsere Orthodoxen ihre eigenständige und unabhängige Kirche“, sagte Levits. Der Zweck der Gesetzesänderung bestehe darin, den potenziellen Einfluss des Moskauer Patriarchats auf die lettische orthodoxe Kirche zu verhindern. „Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit und der historischen Gerechtigkeit“, sagte Levits und verwies darauf, dass die lettisch-orthodoxe Kirche bis zum Zweiten Weltkrieg unabhängig gewesen und erst nach der sowjetischen Besatzung 1940 Teil der russisch-orthodoxen Kirche mit einem gewissen Maß an Autonomie geworden sei.

Kriegstreiber Kyrill I.

Die russische-orthodoxe Kirche ist stramm auf dem Kurs von Kremlchef Wladimir Putin. Besonders Patriarch Kyrill I. tut sich als Kriegstreiber hervor. Mehrfach rechtfertigte er Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und sprach von einem „metaphysischen Kampf“ im Namen des Rechts, an dem der Westen schuld sei.

Vergangenen März hatte er sich zu der kruden Theorie verstiegen, für den Ukrainekrieg verantwortlich seien liberale Werte, insbesondere Gay-Pride-Paraden, vor denen die Menschen im Donbass Angst hätten. Sanktionen, die die EU gegen Kyrill I. verhängen wollte, scheiterten an der Blockadehaltung des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. Vor Kurzem verweigerte Lettlands Nachbar Litauen dem Patriarchen jedoch in Eigenregie die Einreise.

Die Reaktion der russisch-orthodoxen Kirche auf das neue lettische Gesetz ließ nicht lange auf sich warten. Erzpriester Nikolai Balaschow, Berater von Kyrill I., nannte das Gesetz gegenüber der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti einen „verrückten verfassungswidrigen Eingriff“ des Staates in kirchliche Angelegenheiten. „Das überrascht niemanden in der Atmosphäre des juristischen Nihilismus, der unsere westlichen Nachbarn umgibt.“

Zuvor hatte sich bereits das russische Außenministerium geäußert. Mit der Trennung der beiden Kirchen habe Lettland einmal mehr die russophobe Ausrichtung seiner Politik demonstriert. Riga strebe danach, die spirituellen Bande der in Lettland lebenden Rus­s*in­nen mit Russland zu brechen, hieß es.

Laut Nikita Andrejew, Assistent an der Theologischen Fakultät der Lettischen Universität in Riga, berge das neue Gesetz Konfliktstoff. Es sei nicht ganz klar, wie der Staat diese Norm umsetzen werde und was zu tun sei, wenn sich die lettisch-orthodoxe Kirche weigere zu tun, was gesetzlich vorgeschrieben ist, zitiert ihn das russischsprachige Nachrichtenportal Nastojaschee wremja. Nur die Kirche selbst könne ihr kanonisches Recht ändern, um sich beispielsweise der Autorität von Konstantinopel zu unterstellen.

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