: Fruchtbares Nebeneinander
Gespräche über die Sicherung der Uferhallen als Kultur- und Atelierstandort laufen immerhin. Eine Dokumentation zeigt den Prozess rund um die Idee stadtpolitischer Teilhabe, der dazu beigetragen hat
Von Martin Conrads
Dass die Pressemitteilung mit dem Start der Berlin Art Week zusammenfiel, war ein Coup: „Sicherung des Kulturstandorts Uferhallen in Sicht – Grundlage für Einigung erzielt“, hieß es in dem von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa veröffentlichten Schreiben.
Für die Uferhallen, dem großflächigen Ausstellungs- und Atelierareal in Gesundbrunnen, dessen bisherige kulturelle Nutzung insbesondere nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2017 auf dem Spiel stand, sei eine Lösung gefunden: Mit sofortiger Wirkung, so die von der UferHallen AG als Eigentümer und dem Uferhallen e. V. als Interessenvertretung der vor Ort arbeitenden Künstler*innen unterzeichneten, von Bezirk, Senat und Denkmalamt vermittelte Vereinbarung, verlängerten sich die Mietverträge aller Künstler*innen zunächst bis Ende 2023. Ab 2024 würden die Ateliers langfristig an die jetzigen Nutzer*innen vermietet.
Dies alles ereignete sich allerdings zur Berlin Art Week 2021. Auf der letztwöchigen Berlin Art Week 2022 schien die Zukunft der Uferhallen aus Sicht der vor Ort Arbeitenden weiterhin ungeklärt. Beim Presserundgang zur Art Week, die das Gelände der Uferhallen als Ort für ihr diesjähriges Festivalzentrum nutzte, sprach Moritz von Dülmen, Geschäftsführer der die Kunstwoche veranstaltenden „Kulturprojekte Berlin“, so diplomatisch wie ausweichend von den Uferhallen als einem für Berlin typischen Humus, an dem die Kunst entstehe, die Berlin anziehend mache, dankte für die Gastfreundschaft und Kooperation und lud zur Erkundung.
Antje Blumenstein und Peter Dobroschke vom Vorstand des Uferhallen e. V. verschafften angesichts der von den Investoren angekündigten Umbau- und Teilabrisspläne am Gelände ihren Sorgen Gehör, sprachen davon, dass Fakten geschaffen würden und die ursprünglich als für alle Seiten fair proklamierten Planungen nicht transparent verliefen. Die Zukunft des Geländes als Kulturstandort, so hörte man heraus, sei mehr als unsicher.
Diese Gemengelage war für den Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) Grund genug, mit Beginn der Art Week und in einem Teil der großen Halle des Geländes eine Ausstellung zu zeigen, die sich nicht nur einem künstlerischen Aspekt der jüngeren Geschichte des Areals widmet, sondern diese Geschichte selbst in einer stadtpolitisch so umfangreich recherchierten wie grafisch so ausschlussreich aufgearbeiteten Weise dokumentiert.
Die von n.b.k.-Geschäftsführerin Anna Lena Seiser kuratierte Ausstellung „Uferhallen Kunstaktien. Dokumentation einer Publikumsgesellschaft“ stellt die Geschichte der Besitzverhältnisse der ehemaligen Zentralwerkstätten der Berliner Verkehrsbetriebe vor allem seit 2007 dar, als das Gelände vom Land Berlin an drei Privatinvestoren, die „UferHallen Immobilien AG“, verkauft wurde. Mit dem Ziel, „ein Zentrum zu schaffen, in dem bildende Kunst, darstellende Kunst und Musik ein fruchtbares Nebeneinander finden“, starteten die Uferhallen damals. Viele Veranstaltungen und Ausstellungen folgten, nicht zuletzt solche mit Arbeiten der über 100 Künstler*innen, die mittlerweile auf dem Areal Ateliers angemietet hatten, darunter bis heute auch so bekannte Namen wie Katharine Grosse, Maria Eichhorn oder John Bock.
Diverse Wechsel im Vorstand der UferHallen AG und unterschiedliche Vorstellungen über die Entwicklungsperspektive des Geländes führten zunächst dazu, dass ab 2011 die Idee der „UferHallen Kunstaktien“ Realität wurde. Rund 120 Künstler*innen wurden hierfür gebeten, Aktien als Kunstwerke zu gestalten. Die dabei entstandenen mehr als 3.000 Aktien sollten dem Zweck dienen, Anteile an der AG an eine Vielzahl von Kleinaktionären zu veräußern, um einem Teil der Öffentlichkeit Einfluss auf die Entscheidungsprozesse der AG und somit eine langfristige Nutzungsperspektive des Geländes zu sichern. Eine Verkaufsausstellung 2011 zeigte die Aktien unterschiedlichster künstlerischer Qualität zum ersten Mal.
Nun sind sie in der aktuellen Ausstellung als Leihgaben erneut zu sehen, und der Grund ist aus Sicht der vor Ort Arbeitenden ein ernüchternder: 2017 wurde eine Investorengruppe um die Samwer-Brüder Mehrheitsaktionär der AG, 2021 wurde beschlossen, die verbliebenen freien Aktien in einem Squeeze-out-Verfahren zu veräußern. Die Idee der stadtpolitischen Teilhabe per künstlerischer Aktie war damit gescheitert, übrig bleibt nun die Dokumentation dieses so hoffnungsvollen wie desillusionierenden Prozesses, der, so der n.b.k., zumindest entscheidend zu den laufenden Gesprächen über Sicherung der Uferhallen als Kultur- und Atelierstandort beigetragen habe.
Uferhallen Kunstaktien. Dokumentation einer Publikumsgesellschaft. Uferhallen. Bis 25. September
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