: Billiger geht’s nicht
FUSIONSAKTIVISMUS Im Opernstreit an Rhein und Ruhr zeitigen die Kulturinfarkt-Thesen erste Wirkung
Am Rhein grassiert das Opernehen- und -scheidungsfieber. Duisburg will dem Partner Düsseldorf den Laufpass geben, der flirtet inzwischen heftig mit Köln, während Bonn sich sehnsüchtig einen dominanten Partner wünscht. In Gang gebracht hat den möglichen Ringtausch Duisburg. Die mit 2,15 Milliarden Euro verschuldete Kommune muss in den nächsten Jahren rund 80 Millionen Euro einsparen, um aus dem landeseigenen Stärkungspakt für die Kommunen Finanzmittel zu erhalten.
Um dieses Ziel zu erreichen, soll unter anderem der Kulturhaushalt um zwanzig Prozent gekürzt werden. „Unter diesen Vorgaben können Sie nur an die großen Blöcke herangehen“, sagte Kulturdezernent Karl Janssen auf einer Veranstaltung, und der größte Block ist die von den Städten Düsseldorf und Duisburg gemeinsam getragene Deutsche Oper am Rhein (DOR). 11 Millionen Euro trägt Duisburg zum derzeitigen 43-Millionen-Etat bei. Auch wenn Janssen inzwischen zurückrudert, sein Amt schlägt vor, diese Kooperation zum Ende der Spielzeit 2013/14 kündigen.
Der Intendant der DOR Christof Meyer äußert zwar Verständnis für die Zwänge Duisburgs, hält sie aber zugleich für absurd: „Die seit 1956 bestehende Kooperation Düsseldorf/Duisburg ist ein Sparmodell par excellence.“ 100 Vorstellungen spielt die DOR in Duisburg, bringt dort mehrere Premieren heraus, auch des gerühmten Balletts von Martin Schläpfer. Zusätzliche Brisanz erhält der Fall dadurch, dass Meyers Vertrag 2014 ausläuft. Spardebatten im Verbund mit Intendantenwechseln entfalten oft eine eigene Dynamik. Der Verwaltungsdirektor der DOR Jochen Grote hat schon mal Sparpotenziale wie die Reduzierung der Vorstellungen bis zu höheren Eintrittspreise durchkalkuliert. Das erwartbare Fazit: Billiger geht’s nicht. Nur das Ende des Opernstudios und der Kinder- und Jugendarbeit brächte Einsparungen von rund 600.000 Euro. Doch hier zieht Intendant Christof Meyer eine rote Linie: „Wenn das nicht mehr möglich ist, müsste ich über meine Zukunft nachdenken.“
Als die Duisburger Scheidungsabsichten publik wurden, brachte Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers eine Opernfusion mit Köln ins Gespräch. Die Kulturdezernenten sollen nun die Aussichten dieser möglichen Partnerschaft prüfen. In Köln zeigt sich Dezernent Georg Quander aufgeschlossen, beide Häuser besäßen gleiches Gewicht, „so dass eine Schieflage wie aktuell zwischen Düsseldorf und Duisburg nicht auftreten würde“. Probleme sieht er allerdings in den unterschiedlichen Bühnengrößen. Verblüffend daran: Es war Quander, der Köln einen ambitiösen Kulturentwicklungsplan bescherte, in dem der Musik eine zentrale, identitätsstiftende Rolle für die Stadt zukommt und der eine Stärkung von Oper, Philharmonie und Orchestern fordert.
Der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, kritisiert den Fusionsaktivismus und bezweifelt die beabsichtigten Einspareffekte: „Die Vorstellung, dass man durch einen neuen Gemeinschaftsbetrieb Düsseldorf/Köln die über Jahrzehnte entstandenen gleichen Synergieeffekte erzielt, ist ein großer Irrtum.“ Das neue Haus müsse völlig eigene Verwaltungs-, Technik- und Werkstätten-Strukturen aufbauen. Außerdem: „Der kommunalpolitische Wille zu einer Fusion ist das eine, das Kirchturmsdenken aber das andere“, meint Bolwin zum Verhältnis der konkurrierenden rheinischen Nachbarn.
Alles hängt derzeit an Duisburg. Die CDU-Fraktion hat einen Antrag im Rat eingebracht, der die Fortführung der Opernkooperation mit Düsseldorf fordert. Bei den Sozialdemokraten, die mit den Grünen und der Linken regieren, gibt es noch Beratungsbedarf. Nichtsdestotrotz ist der kulturpolitische Sprecher Udo Vohl verhalten optimistisch: „Wir sind auf einem guten Weg, dass wir die Oper erhalten.“ Am 13. Juni berät die SPD-Fraktion über den Haushalt, am 25. Juni soll der Rat den Etat beschließen.
Duisburg, Düsseldorf und Köln sind nicht die einzigen bei der Partnertauschbörse. Der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch möchte auch mit ins Opernboot. Auch hier ist Köln der Wunschpartner einer Stadt, die mit dem Label „Beethovenstadt“ für sich wirbt. Nimptsch veröffentlichte seine Fusionsidee, kurz bevor Bernd Helmich seinen Vertrag als neuer Generalintendant der Bonner Bühnen ab 2013 unterschrieb. Mehr Desavouierung geht nicht. Helmich, derzeit noch Intendant in Chemnitz und ausgewiesener Musiktheaterfachmann, mochte sich zum Ansinnen seines Dienstherrn nicht äußern. Auf die Frage der taz nach seinem Vertrag sagte Helmich: „Sie können davon ausgehen, dass ich einen Vertrag für fünf Jahre Musiktheater habe.“ Aber Verträge haben Politiker bekanntlich noch nie gestört. Die Fusionsdiskussion zeigt, dass die umstrittenen Kulturinfarkt-Thesen bereits erste Wirkung zeitigen. Es wird ernst.
HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN
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