Regenbogenfabrik in Berlin: Bestens besetzt
Hier kann man günstig Kultur erleben oder auch mal ein Fahrrad reparieren: Die Regenbogenfabrik zeigt, dass sich Hausbesetzung für den Kiez lohnt.
Angesichts mittlerweile astronomischer Gas- und Stromrechnungen bin ich froh, dass es Selbsthilfewerkstätten wie diese hier im Kreuzberger Kultur- und Wohnprojekt Regenbogenfabrik gibt. In einem normalen Fahrradladen kann eine Reparatur schnell teuer werden, hier reicht eine kleine Spende – und nebenbei lernt man jedes Mal dazu.
Angesichts steigenden Verwertungsdrucks verschwinden viele solcher unkommerziellen Räume – Selbsthilfewerkstätten, Proberäume, Jugend- und Nachbarschaftstreffs oder Wagenplätze –, die das Leben in der Stadt auch ohne viel Geld lebenswert machen. Neue zu schaffen, wird zunehmend ein Ding der Unmöglichkeit.
Ein Ort, viele Projekte
Wie ist es also möglich, dass eine solch unkommerzielle Fahrradwerkstatt seit über 40 Jahren Bestand haben kann, in einem Bezirk, in dem die Mieten deutschlandweit mit am schnellsten steigen?
Die Fahrradwerkstatt ist nur eines von vielen Projekten, die in der Regenbogenfabrik in der Lausitzer Straße beheimatet sind: Über den Hof des Geländes schlurfen rucksackbepackte Hostel-Gäste, ein wenig weiter spielen Kinder aus der Kita, mittags bietet eine Kantine günstiges Essen und abends ein Kinosaal anspruchsvolles Kinoprogramm – und dann wohnen hier auch noch 33 Menschen. Längst ist die Regenbogenfabrik fester Bestandteil der sozialen Infrastruktur des Kiezes.
Im März 1981 besetzten Aktivist:innen das brachliegende Fabrikgelände. Eigentümer war ein stadtbekannter Spekulant, der den heute unter Denkmalschutz stehenden Fabrikkomplex abreißen und durch Neubau ersetzen wollte. Die Besetzer:innen konnten nicht nur den Abriss verhindern, sondern auch dauerhaft ein Nachbarschaftszentrum errichten.
Klassisch instandbesetzt
Das baufällige Gelände renovierten die Besetzer:innen komplett selbst – eine klassische „Instandsbesetzung“, eine Praxis, durch die in den 80er Jahren weite Teile der historischen Bausubstanz Kreuzbergs gerettet werden konnten. Gerade die heute heißbegehrten Altbauten sollten großflächig abgerissen werden.
1984 wurde die Besetzung erstmals durch einen Mietvertrag legalisiert. Trotzdem drohte das Projekt immer wieder das Aus, ob nun durch Konflikte mit dem Eigentümer, wegen Finanzierungsschwierigkeiten oder zahlreichen internen Konflikten.
Erst 2011 gelang es, das Projekt langfristig zu sichern. Das Gelände wurde mittlerweile vom Land Berlin gekauft und an den Bezirk übergeben, der wiederum einen 30-jährigen Erbpachtvertrag abschloss.
Solidarische Ökonomie
Nachdem die Einstellung staatlicher Unterstützung das Projekt Ende der 1990er Jahre in eine existenzielle Krise gestürzt hatte, finanziert es sich nun weitestgehend selbst.
Dabei werden unkommerzielle Projekte wie die Fahrradwerkstatt durch profitablere Projekte wie das Hostel querfinanziert. Unabhängig von der Profitabilität der Arbeit werden dabei gleiche Löhne gezahlt, sämtliche Gewinne geteilt. „Solidarische Ökonomie“ nennen die Aktivist:innen dieses Prinzip.
Und es funktioniert. Selbst die Einnahmeausfälle während der Coronakrise konnte das Projekt verkraften. Als die Fabrik vor Kurzem ihren vierzigsten Geburtstag mit einem ausschweifenden Hoffest nachfeiern durfte, hieß es natürlich „Eintritt frei“.
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