Redner ausgeladen: Kein Corpsgeist im Rathaus
Der gestrige Festkommers des „Corps Irminsul“ im Ratsweinkeller des Hamburger Rathauses fiel anders aus als geplant. Der angedrohte Festredner Prof. Konrad Löw erhielt Auftrittsverbot. Das bestätigten gestern der Direktor der Bürgerschaftskanzlei, Reinhard Wagner, und Senatssprecherin Kristel Gießler. Die taz hatte am Donnerstag berichtet, bei der 125-Jahrfeier des Corps solle Löw einen Vortrag halten unter dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“. Ein gleichnamiger Aufsatz des emeritierten Professors war im vorigen Jahr von der Bundeszentrale für politische Bildung nach versehentlicher Veröffentlichung zurückgezogen worden: Er sei geeignet, so die Begründung, „die deutschen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur zu verharmlosen“ und die „Abstreitung der deutschen Urheberschaft an den Verbrechen“ zu befördern.
Das Präsidium der Hamburger Bürgerschaft hatte daraufhin den – ahnungslosen – Pächter des Ratsweinkellers über die ungebetenen Gäste in Kenntnis gesetzt. Die Corps-Feier durfte zwar gestern Abend stattfinden, Löws Auftritt jedoch wurde untersagt. „Die Würde des Rathauses muss gewahrt bleiben“, befindet der SPD-Abgeordnete Andreas Dressel, sein grüner Kollege Christian Maaß hält „extremistische Töne im Rathaus, selbst im Keller, für nicht akzeptabel“. Es sei zu überlegen, so die beiden Rechtspolitiker, ob der Pachtvertrag mit dem Gastronomiebetrieb „dahingehend konkretisiert“ werden könne. Wagner verweist auf den offiziellen Vermieter, die städtischen Sprinkenhof. Der gegenüber habe das Bürgerschaftspräsidium „keine Kompetenzen, allenfalls der Senat“. Der werde „prüfen, ob da was gemacht werden kann“, versichert dessen Sprecherin Gießler: „Es ist schlimm, dass so etwas passieren konnte.“ SMV
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