Aktuelle Lage in der Ukraine: Schrittweise Rückeroberung

Die Ukraine zerstört mithilfe von US-Raketenwerfen russische Munitionsdepots im Süden. Dem Land steht eine wichtige Woche im Krieg bevor.

Ein Mann reicht einem Feuerwehrmann eine Decke aus einem Fenster

Das Kulturhaus in der ukrainischen Stadt Tschuhujiw wurde am Montag von russischen Raketen beschossen Foto: Sofia Gatilova/reuters

BERLIN taz | Die ukrainischen Bemühungen zur Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete im Süden des Landes nehmen Gestalt an. „Schritt für Schritt“ würden die ukrainischen Streitkräfte im südlichen Distrikt Cherson vorrücken, sagte Präsident Wolodimir Selenski am Samstagabend. Am Sonntagabend ergänzte er, vor der Ukraine liege eine „wichtige Woche“ im Krieg und das Land werde seinen Nationalfeiertag am Donnerstag, dem 28. Juli „festlich“ begehen.

Der Süden der Ukraine ist sehr flach und offen. Militärexperten zufolge wären massive Vorstöße von Bodentruppen dort deshalb wenig praktikabel. Die ukrainischen Streitkräfte setzen daher auf den Einsatz der von den USA Anfang Juni gelieferten Mehrfachraketenwerfer des Typs Himars (High Mobility Artillery Rocket System).

Diese tragen Präzisionswaffen mit einer Reichweite von 80 Kilometern hinter die russischen Linien und schneiden die russischen Truppen von ihrer Versorgung ab. Ihr Einsatz mache „den entscheidenden Unterschied“, sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow vergangene Woche. Die USA kündigten daraufhin an, die Zahl der Himars-Systeme in der Ukraine von 12 auf 16 aufzustocken.

Im Distrikt Cherson habe man nun die „Feuerkontrolle“ über die Nachschubwege der russischen Truppen erreicht, erklärte die ukrainische Armeesprecherin Natalia Humeniuk in der englischsprachigen Ausgabe der Zeitung Ukrainska Pravda am Dienstag. Verteidigungsminister Resnikow ergänzte, man habe mit US-Präzisionsraketen mittlerweile 50 russische Munitionsdepots zerstört. „Das unterbricht deren Nachschubketten und nimmt ihnen die Fähigkeit, Kämpfe aktiv zu führen und unsere Kräfte unter schweres Artilleriefeuer zu nehmen“, sagte er im ukrainischen Fernsehen.

Die drei Brücken in die Stadt Cherson am Dnipro-Fluss sind mittlerweile durch ukrainischen Beschuss teils zerstört und nur noch für leichte Fahrzeuge befahrbar, wie zahlreiche Fotoaufnahmen belegen. Weiter östlich wurde am Wochenende durch ukrainischen Beschuss die Flugpiste der russisch besetzten Stadt Melitopol zerstört sowie Bahngleise in Novobohdanivka 30 Kilometer weiter nördlich, einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte der Südukraine.

Materialprobleme in russischer Armee

Am nördlichsten Ende des russisch besetzten Teils des Distrikts Cherson sollen rund 1.000 russische Soldaten eingekesselt sein. Es häufen sich Berichte über erneut zunehmende massive Personal- und Materialprobleme der russischen Streitkräfte, deren Verluste weit höher sind als die der ukrainischen Verteidiger.

Als Reaktion hat Russland eine erneute Ausweitung der russischen Kriegsziele angekündigt. Zu Kriegsbeginn hatte Russland noch Kiew blitzartig erobern wollen; nach dem Scheitern dieses Versuchs konzentrierte es sich auf den Donbass. Nun steht eine erneute Ausweitung im Raum. Am 20. Juli sagte Außenminister Sergei Lawrow in Moskau, es gehe neben dem Osten und Süden der Ukraine nun auch um „eine Reihe anderer Gebiete“. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, drohte kurz darauf sogar ein „Verschwinden“ der Ukraine insgesamt an.

Am Sonntag bekräftigte Lawrow in Kairo, Russland wolle in der Ukraine einen Regierungswechsel: Man wolle den Ukrainern helfen, „sich von der Last dieses absolut inakzeptablen Regimes zu befreien“. Er fügte hinzu: „Der Westen besteht darauf, dass die Ukraine keine Verhandlungen beginnen darf, bis Russland auf dem Schlachtfeld besiegt ist.“ Am 20. Juli hatte er noch das Gegenteil gesagt: Friedensgespräche mit der Ukraine hätten „zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn“.

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