Die Wahrheit: Der stöhnende Goldfisch
Das lebende Bein. Eine Fortsetzungs-Story der etwas anderen Art (Teil 4). Heute: Der Geheimagent Baxter hört etwas Schreckliches am Telefon …
Was bisher geschah: Bei Baxter, einem Ex-Geheimdienstler mit Goldfisch, taucht nach 35 Jahren Joane wieder auf, seine alte Liebe. Im Gepäck hat sie eine knifflige, ja blutrünstige Frage: „Was hat es mit dem lebenden Bein auf sich?“ Mörderisch spannende Nachforschungen nehmen ihren Lauf …
Niemand war es bislang aufgefallen, nicht einmal Tante Trude: Der Goldfisch war verschwunden! Baxters ältester Mitarbeiter. Ein Geschenk des Aga Khan. Nach der Geschichte in Teheran damals. Aber das war Vergangenheit. Was jetzt zählte, war die Gegenwart. Und in der hatte der gewiefte Agent seinen Goldfisch mit dem putzigen Namen Koi in Joanes Handtasche gleiten lassen. Um immer zu wissen, wo sie war. Nachdem sie auf- und wieder untergetaucht war. Selbst Tante Trude, die ihnen beim Wettwaten nachspioniert hatte, ahnte nichts. Baxter war eben ausgekocht wie ein verknorpelter Suppenknochen.
„Pronto!“, meldete sich am Feldtelefon eine Baxter nur zu bekannte Stimme: José, sein alter Sparringspartner, der gar nicht in Venedig sein konnte, es aber anzutäuschen versuchte. Baxter war seit seiner Zeit in Moskau ein ausgewiesener Spezialist für Hintergrundgeräusche und vernahm genau den Unterschied – das war nicht das holzige Plätschern der venezianischen Lagune, sondern das in Beton gegossene Gurgeln des niederrheinischen Flusslaufs. Baxter hörte jetzt aber auch im Hintergrund deutlich den Goldfisch. Er war an einen Stuhl gefesselt.
„Wo ist Joane?“, fragte José mit der kehligen Stimme eines Mannes, der sein Leben lang Schläge eingesteckt hatte. Jetzt teilte er sie aus. Doch Koi antwortete nicht. Tapfer, der Kleine, dachte Baxter, bevor er eine Gänsehaut bekam. Denn der Goldfisch stöhnte, wie Baxter noch nie einen Goldfisch hatte stöhnen hören. Offenbar bearbeitete ihn José mit einem Telefonbuch, den Gelben Seiten von Xanten, damit die Schläge keine Spuren hinterließen.
Vom Bäcker zum Schurken
Wie war Koi aus Joanes Handtasche geflutscht? Hatte sich das dritte Bein, das Joane beim Wettwaten in Bad Ems offenbar eingesetzt hatte, selbstständig gemacht? Und was hatte Doktor Meimers damit zu tun, der Erzbösewicht, der sich vom einfachen Bäcker zum internationalen Schurken hochgearbeitet hatte? Hatte er José, den kubanischen Zierboxer, umgedreht, um Joane das lebende Bein abspenstig zu machen?
Baxter nahm seine blaue Beretta Nano aus dem Waffenschrank und verstaute sie in seinem Schulterholster. Im Geiste drückte er Koi die Flosse, dass er so lange wie möglich durchhalten mochte. Dieser verdammte José! Sollte er Koi auch nur eine Schuppe krümmen, würde er dafür bezahlen – in einer Währung, die dem Kubaner gar nicht lieb und teuer wäre: Blei!
„Ein Mann muss tun, was Tante Trude nicht tun kann“, wollte er seiner renitenten Erbtante zuraunen, doch die war längst eingeschlafen und bekam nicht mit, dass Baxter sich nach Xanten aufmachte. Doktor Meimers und Konsorten würden sich warm anziehen müssen …
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