Berliner Klimabürger:innenrat: Die Tür stand auf
Die Empfehlungen des Klimabürger:innenrats überraschen nicht wirklich. Dennoch sind sie von Wert für die Berliner Politik.
J etzt liegen sie also vor, die mit allergrößter Spannung erwarteten Ergebnisse des Berliner Klimabürger:innenrates. 47 Empfehlungen, wie die Politik beim Klimaschutz handeln soll, ausgesprochen von genau 100 Menschen aus der ganzen Stadt, Menschen aller Altersgruppen, mit und ohne Migrationserfahrung, aus unterschiedlichen sozialen Kontexten. War diese Spannung nun gerechtfertigt? Vielleicht eher nicht, soll die Antwort hier lauten. Was keineswegs bedeutet, dass die Übung umsonst war.
Viele der Empfehlungen, die zum Teil mit großen Mehrheiten verabschiedet wurden, lesen sich wie eine Zusammenfassung wichtiger Punkte des rot-grün-roten Koalitionsvertrags bzw. der politischen Agenda der grünen Senatsverwaltung für Mobilität, Umwelt und Klimaschutz. Etliche sind in ihrer Allgemeinheit auch über das gesamte politische Spektrum hinweg Common Sense.
„Der Energie- und Ressourcenverbrauch muss in allen Bereichen – Staat, Wirtschaft und Gesellschaft – reduziert werden.“ Wer wollte da widersprechen? Ein attraktiverer ÖPNV mit guten Umsteigemöglichkeiten, ein zügiger Ausbau der Ladeinfrastruktur, die rasche Umsetzung der vom Mobilitätsgesetz vorgesehenen Radinfrastruktur? Ja klar. Schnellstmögliche Umsetzung der Solarpflicht auf Dächern, Abbau der Förderung von Gasheizungen, eine Ausbildungsoffensive in klimarelevanten Berufen, etwa im Installationshandwerk: Was denn sonst?
All das verweist auch auf einen strukturellen „Bias“, also eine bereits vorhandene Tendenz bei vielen der Ratsmitglieder – auch wenn die Verantwortlichen immer wieder auf das angewandte Losverfahren und die soziale Mischung der Teilnehmenden hinweisen. Aber ist die Vermutung wirklich weit hergeholt, dass bei 2.800 zufällig Angeschriebenen und 238 Rückmeldungen vor allem Menschen in die engere Wahl kamen, denen das Klima-Thema ohnehin am Herzen liegt?
Hätte es sich beim Bürger:innenrat tatsächlich um das viel beschworene „Miniatur-Berlin“ gehandelt, hätten bestimmte Forderungen vielleicht keine Mehrheit in den Abstimmungen gefunden – vor allem diejenigen, die so konkret sind, dass ihre Folgen für jedeN einzelneN leicht vorstellbar sind. Interessanterweise fiel das Votum gegen den Weiterbau der A100 mit 59 Prozent auch so schon vergleichsweise knapp aus.
Nicht nachher wundern!
So gesehen sollte es niemanden Wunder nehmen, wenn sich das vom Klimabürger:innenrat erzeugte Meinungsbild nicht bestätigt, sobald es hart auf hart kommt, also zum Beispiel über die Forderungen von „Berlin autofrei“ an den Urnen entschieden wird. Dass die Bevölkerung in Wirklichkeit vielleicht nicht ganz „so weit“ ist, zeigt ja schon ein Blick auf die Zulassungszahlen von Pkw oder andere Konsumindikatoren.
Aber: Politik wird von denen geprägt, die sich engagieren – das gilt für Parteien und Institutionen ebenso wie für ehrenamtliche Formate. Wer seine Chance ergriffen hat, Senat und Parlament durch die Teilnahme am Klimabürger:innenrat auf die Sprünge zu helfen, der darf auch darauf hoffen, dass sich dieses Engagement auszahlt. Die Tür stand auf – wer wollte, konnte hindurchgehen.
Jetzt muss die Politik liefern, das haben Senatorin und Abgeordnete bei der Übergabe der Forderungen betont. Einen Richtungswechsel wird es auf der Grundlage der Empfehlungen nicht geben, aber an der einen oder anderen Stelle erhöht das Votum der BürgerInen dann doch die Legitimität von unangenehmen oder teuren Maßnahmen.
Erfreulich war vor allem die durchaus glaubwürdige vorgetragene Bereitschaft der AdressatInnen, den Dialog nicht einfach abreißen zu lassen. Senatorin Jarasch hat die RätInnen schon zur Evaluation nach einem Jahr eingeladen. Die sollten sich auf diese Chance zum Nachbohren keinesfalls entgehen lassen.
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