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„Verbundenheit ohne Fesseln“

Peggy Steinhauser über Wege,mit Verstorbenen gütlich in Verbindung zu bleiben

Hendrik Lüders

Peggy Steinhauser49, Theologin, ist Trauer­begleiterin und systemische Supervisorin und leitet seit 15 Jahren das Hospiz Hamburg Leuchtfeuer Lotsenhaus.

Interview Petra Schellen

taz: Frau Steinhauser, ist der Wunsch nach Verbundenheit mit Verstorbenen für alle gleich wichtig – auch bei Konfliktbeziehungen?

Peggy Steinhauser: Ich glaube schon, dass es ein menschliches Grundbedürfnis ist. Denn es geht ja nicht nur um die Qualität der Beziehung, sondern vor allem um deren Bedeutung. Wer Verletzungen oder Traumata erlebt hat, möchte sicher nicht verbunden bleiben. Wenn die Beziehung aber positiv oder ambivalent war, geht es darum zu schauen: Gibt es den einen oder anderen Anteil, den mir dieser Mensch mitgab und den ich bewahren möchte? Welchen loslassen? Von der Forderung, den Toten komplett loszulassen, ist die Trauerforschung aber inzwischen abgekommen.

Warum?

Weil die Arbeit mit Trauernden gezeigt hat, dass die meisten – abgesehen von belastenden Beziehungen – den Verstorbenen nicht ganz aus ihrem Leben verbannen wollen. Weil sie – zum Beispiel von uns TrauerbegleiterInnen – lernen wollen, verbunden zu bleiben, ohne zu stagnieren. Wie sie die Verstorbenen in ihr Leben integrieren und dabei offen für Neues bleiben können.

Wie kann das funktionieren?

Indem man sich bewusst macht: Wer bin ich geworden dadurch, dass es diesen Menschen gab? Welche wunderbaren Eigenschaften hat er mir mitgegeben, was habe ich von ihm gelernt? Bei den Päckchen wiederum überlege ich, was möchte ich so fortführen, was nicht? Das ist also alles andere als Stagnation, und es ist auch nicht dasselbe wie ein Sich-Festketten an der Vergangenheit. Es ist vielmehr eine Hilfe zur Weiterentwicklung.

Wie kann man Reue über Versäumtes integrieren?

Es gibt sicher Dinge, die trage ich lebenslang mit mir herum, weil ich vielleicht etwas getan habe, das ich mir nicht verzeihen kann. In unseren Workshops üben wir, darüber zu sprechen: Was war das Schmerzliche, was hätte ich ihm gern gesagt, wie kann ich ihm das jetzt noch sagen?

Arbeiten Sie auch mit Versöhnungsritualen?

Weniger. Ich arbeite oft mit dem Schreiben: mit Mindmaps, wo Menschen intuitiv Charakterzüge und Fähigkeiten des Verstorbenen notieren. Oder sie schreiben auf: „Was, glaube ich, hat meine Mutter in Bezug auf mich versäumt?“ Wenn man Dinge, die offen geblieben sind, zu Papier bringt, setzt das etwas in Gang. Ein weiterer Schritt kann sein zu überlegen, was der Verstorbene darauf antworten würde. Das hat in der Regel eine starke versöhnliche Wirkung.

Reicht das, um die Beziehung zu bereinigen?

Was heißt reichen? Es ist vielleicht nie genug. Und es gibt bestimmt immer etwas, das mich dauerhaft beschäftigen wird. Aber dadurch, dass wir dem Raum geben, können wir die Beziehung rückblickend neu für uns rekonstruieren, definieren.

Haben manche Trauernde Angst zu vergessen?

Ja. Die meisten sagen, ich hab solche Sorge zu vergessen, wie sie war, ihre Stimme, ihren Geruch zu vergessen. Auch da kann Erinnerungsarbeit helfen: indem man bewusst positive Erlebnisse mit dem Verstorbenen sich oder anderen erzählt und sich zurückversetzt. Dabei werden alle Sinne aktiviert und dann sind auch der Geruch und die Stimme wieder präsent.

Workshop „Verbunden bleiben“ mit Peggy Steinhauser: Di, 28. 6., 18–20 Uhr. Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Kapelle 3, im Rahmen der Ausstellung „Ikonografie der Trauer“ Anmeldung: lotsenhaus@hamburg-leuchtfeuer.de, bis So, 2. 7., 17–20.30 Uhr

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