Kinotipp der Woche: Das Hadern, das Leben
Die diesjährige Ausgabe des polnischen Filmfestivals filmPOLSKA bietet intime Dokumentarszenen und ein surreales Rap-Musical.
Vater und Sohn sind auf der Reise. Sie sitzen im Campingbus und fahren von Polen nach Frankreich. Es geht nicht in den Urlaub, sondern der Vater will zurück zu seinen Wurzeln, in das Land, in dem er geboren wurde.
Die Fahrt wird ein Trip in die Vergangenheit und reißt allerlei Wunden auf. Der Alte erzählt viel aus seinem Leben, der Junge fragt nach und will immer mehr wissen. Auch von Dingen, über die man bei seinen Eltern eigentlich lieber nicht informiert sein möchte.
Einen intimen Dokumentarfilm hat Pawel Lozinski mit “Father and Son“ (2013) gedreht. Seine Herangehensweise ist ganz simpel: Er installiert einfach eine Kamera in dem Camper und zeichnet mit dieser die entstehenden Gespräche auf. Eingestreute alte Super-8-Aufnahmen aus dem Familienarchiv zeigen ein Glück, das teilweise nur Schein war, wie Lozinski zunehmend erfährt.
Dieser ist Filmemacher, genau wie sein Vater Marcel, der sogar einmal für den Oscar nominiert war und in Polen als Ikone des Dokumentarfilms gilt. Es könnte sich also auch ein Werkstattgespräch entwickeln in diesem nichtfiktionalen Roadmovie.
FilmPOLSKA: Vom 22. bis 29. Juni in mehreren Berliner Kinos
Vertreter zweier Generationen jüdischer Filmemacher in Polen könnten sich über ihre unterschiedlichen Erfahrungen in diesem Metier austauschen. Doch über den Film und die Kunst geht es kaum. Dafür eher darum, ob der eigene Vater immer noch den Frauen hinterherschaue (tut er) und ob Sex noch eine Rolle spiele (tut er weniger). Und wie sie denn so war, die Beziehung zu seiner Mutter und warum sie in die Brüche ging.
Zwei, die sich nahe stehen, denen man aber auch die typische Vater-Sohn-Distanz anmerkt, tasten sich gegenseitig ab, konfrontieren sich mit den schmerzlichsten Dingen und kommen schließlich endlich in Frankreich an, was den Vater sichtbar glücklich macht und ihn dennoch bald schon vom Tod sprechen lässt. Man sieht mit “Father and Son“ einen schlicht gemachten und dennoch berührenden Film, der an die Kraft des Gesprächs glaubt.
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Zu sehen ist er bei der neuen Ausgabe des polnischen Filmfestivals filmPOLSKA, bei dem vom 22. – 29. Juni 69 Filme in mehreren Berliner Kinos gezeigt werden. Zum Programm gehören Kurz-, Lang- und Dokumentarfilme und ein Wettbewerb. Ein paar polnische Filmklassiker wie etwa “Asche und Diamant“ (1958) von Andrzej Wajda werden ebenfalls gezeigt.
Durch die Handlung gesprungen
Im Wettbewerk läuft auch “Other People“ (2021) von AleksandraTerpińska, der mehrere Personen in Warschau portraitiert, die miteinander verbunden sind und von denen jede auf seine Weise mit dem Leben hadert. Da ist vor allem Kamil, der in einem trostlosen Plattenau lebt, zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester.
Er schlägt sich so durch das Leben mit Kreinkriminalität und Schwarzarbeit. Seine Freundin liebt er nicht und lässt sie das auch spüren. Der gefühlskalte Sex mit Iwona, mit deren Ehe es gerade gehörig den Bach runter geht, bietet da wenigstens ein bisschen Abwechslung.
“Other People“ ist die gleichnamige Verfilmung eines Romans von Dorota Maslowska, die in ihrer Heimat als enfant terrible der Popliteratur gilt. Dass man sie schon mit Irvine Welsh verglichen hat, liegt nahe, wenn man sich die Verfilmung ihres Romans ansieht, der ähnlich rasant daher kommen möchte wie die Leinwandadaption von “Trainspotting“.
Es gibt viele hektische Handlungssprünge, andauernd surreale Szenen und Drogen spielen auch eine Rolle. Um noch mehr zu knallen, rappen die Protagonisten andauernd und der Film ähnelt zunehmend einem Musical. Das Problem ist nur, dass all die Handlungsstränge so richtig nicht zueinander finden wollen und das Effekthascherische sich zunehmend abnutzt.
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