Sommer-Berlinale in Berlin: Ein Hauch von Festival
Auch in diesem Jahr laufen in Freiluftkinos Filme aus dem Berlinaleprogramm. So richtig glamorös wird es diesmal aber nicht.
Vom vergangenen Sommer ist nicht viel im Gedächtnis geblieben, die Pandemie hatte in kultureller Hinsicht Tabula rasa gemacht. Eines der wenigen denkwürdigen Ereignisse war die Sommer-Berlinale: Als Ersatz für das im Februar 2021 fürs Publikum ausgefallene Filmfestival bespielten die Organisator*innen knapp zwei Juniwochen lang über die ganze Stadt verteilte Freiluftkinos. Passend dazu hielt der Hochsommer Einzug – und verschwand Ende Juni, zum Ende der Kinowochen, auf Nimmerwiedersehen.
Was das Wetter betrifft, zeichnen sich gewisse Parallelen ab zur Sommer-Berlinale in diesem Jahr, die am Mittwochabend mit einer Vorführung von „Alcarras“, Gewinner des Goldenen Bären, im Freiluftkino Friedrichshain begann. Der rote Teppich ist ausgerollt, der Berlinale-Bär leuchtet neben dem Kinoeingang und die beiden Chef*innen der Filmfestspiele, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, sind gekommen zum Plausch. Regisseurin Carla Simón hingegen meldet sich nur per Videobotschaft: Sie sei hochschwanger und könne sogar, während das Publikum in Berlin ihren Film schaue, ein Kind zur Welt bringen, sagt sie lächelnd. Dann verrät sie noch ein paar Details über die Entstehung ihres Werks, bis schließlich der bekannte Berlinale-Trailer seinen Sternenregen über der Leinwand abwirft.
Festival Mit einem 90 Tage währenden Festival will Berlin die Menschen nach den Coronajahren zurückholen zu Kunst, Theater und Musik. Die Stadt wolle wieder Lust auf Kultur machen, sagte Kultursenator Klaus Lederer am Donnerstag in Berlin. Vom Wochenende an soll es mit dem Kultursommer dafür drei Monate lang rund 90 Veranstaltungen in der ganzen Hauptstadt geben. Dabei soll niedrigschwellig, barrierefrei und kostenlos die Vielfalt der Berliner Kulturinstitutionen von freier Szene bis zu den großen Bühnen zu erleben sein. „Die letzten zwei Jahre waren für alle Akteure der Kulturbranche enorm hart“, sagte Lederer. 43 Millionen Euro habe es für private Kulturbetriebe gegeben, mehr als 286 Millionen gingen an Soloselbstständige und Kleinstunternehmer in Berlin, darunter viele Künstlerinnen und Künstler. www.draussenstadt.berlin
Programm Zum Auftakt des Kultursommer-Festivals geht es an diesem Samstag auf das Tempelhofer Feld. Dort soll laut der Veranstalter die „größte Terrassenbar Berlins“ entstehen, zum Sonnenuntergang zeigt die französische Compagnie Off eine Licht- und Musikperformance. Montag ist ein Benefizkonzert für die Ukraine auf dem Bebelplatz geplant. Am 28. Juni feiern „Queens Against Borders“ im Haus Zenner.
Poesie Am heutigen Freitag, 17. Juni, startet das Poesiefestival www.poesiefestival.org. Die diesjährigen „Auszubildenden“ lesen in der Akademie der Künste am Hanseatenweg am 17. Juni um 12 und 16 Uhr und am 19. Juni um 17 Uhr. (sm)
Das war es dann aber auch mit dem Glamour und Rummel. Denn anders als im vergangenen Jahr mit 15 parallelen Vorstellungen läuft nur ein Film pro Abend. Man habe sich nicht selbst Konkurrenz machen wollen, begründet Rissenbeek die Entscheidung. Bis 29. Juni gibt es also jeden Abend in einem Open-Air-Kino einen ausgesuchten Beitrag des gesamten Festivalprogramms.
So läuft zum Beispiel am Freitag, ebenfalls im Friedrichshain, die äußerst unterhaltsame Dokumentation „Liebe, D-Mark und Tod“ über die Entwicklung der türkischen Popmusik in Deutschland; am Dienstag zeigt das Sommerkino am Schloss Charlottenburg die wirklich sehenswerte Dokumentation „Nelly & Nadine“ über ein lesbisches Paar, das sich im KZ Ravensbrück kennenlernte und später nach Venezuela auswanderte; und am 26. Juni präsentiert das Freiluftkino Friedrichshagen „Echo“ aus der Festivalreihe Perspektive Deutsches Kino. Auch Gäste sind angekündigt.
„Wir wollen mit der Sommer-Berlinale Werbung für die Kinos machen“, sagt Rissenbeek. Und wer einen der 15 gezeigten Filme verpasst – nicht schlimm: Alle kommen laut der Berlinale-Chefin sicher auch regulär ins Kino. Diese Auswahl ist fast ein bisschen bedauerlich: Denn der Reiz der Berlinale besteht ja gerade darin, jene filmischen Perlen (und manchmal auch groben Ausfälle) sehen zu können, die es später nicht in den regulären Verleih schaffen.
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