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Diagnose von EpilepsieFür viele bis heute ein Stigma

Das Hamburg-Alsterdorfer Epilepsiezentrum hat das landesweit größte Monitoring. So können Ort und Art der Anfälle exakt diagnostiziert werden.

Verkabelt: Epilepsie-Patientein während der Messung der Hirnströme Foto: Foto: Frido Gentsch/dpa

Hamburg taz | Das Schlimmste ist die Machtlosigkeit. Der Kontrollverlust, den es bedeutet, wenn sich der Körper bei einem epileptischen Anfall verselbstständigt, zuckt, ohnmächtig wird. Das geht zwar meist nach drei Minuten von selbst vorbei, aber die Ungewissheit belastet die Menschen – etwa ein Prozent der Bevölkerung – enorm. „Es gibt Menschen, die seit zehn Jahren keinen Anfall hatten und in ständiger Angst leben, sagt Stefan Stodieck.

Er ist Chefarzt des Epilepsiezentrums in Hamburg-Alsterdorf auf dem Gelände der vor 150 Jahren gegründeten „Alsterdorfer Anstalten“, der heutigen Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Es ist ein Areal mit Krankenhaus, Betreutem Wohnen und Marktplatz, wo heute Behinderte und Nicht-Behinderte leben – natürlich nicht mehr eingezäunt wie noch in den 1960er-Jahren.

Auch die Behandlungsmethoden haben sich gewandelt: Wo vor Jahrzehnten noch sediert wurde und die Menschen vor sich hindämmerten, gibt es heute 30 verschiedene Medikamente.

Wie ein epileptischer Anfall entsteht? „Dadurch, dass Nervenzellen im Gehirn, die ja ständig kommunizieren, das in großer Menge gleichzeitig tun – die sogenannte krankhafte Synchronizität“, sagt Stodieck. „Das ist wie bei einer Brücke: Wenn sie 1.000 Fußgänger überqueren, hält sie. Marschieren 1.000 Soldaten im Gleichschritt darüber, bricht sie.“ Trotzdem verstehe die Medizin immer noch nicht ganz genau, was einen Anfall auslöse.

Um das besser zu begreifen, hat man in Alsterdorf 1998 das „Epilepsie Monitoring Unit“ eröffnet – mit 19 Plätzen das landesweit größte. Dort will man einerseits herausfinden, ob ein Mensch Epilepsie hat. „Akute epileptische Anfälle können auch durch Kokain oder den Entzug von Alkohol und Beruhigungsmitteln ausgelöst werden, nichtepileptische Anfälle durch Kreislaufprobleme oder psychische Ursachen“, sagt Stodieck. Die zweite Zielgruppe seien Epilepsiekranke, bei denen man nicht wisse, von wo die Anfälle ausgingen und ob das ganze Gehirn betroffen sei oder nur ein Areal.

Um das alles zu eruieren, bestellt man die Patienten für zwei Tage ein, misst ihre Hirnströme und beobachtet sie mit Kameras. Von den Ergebnissen hängt ab, welche Medikamente geeignet sind und ob eine Operation helfen könnte, bei der man das betroffene Hirn­areal entfernt.

Spezial-Kamera fürs Gehirn

Operationskandidaten, für die das Monitoring nicht genau genug ist, bestellt man dann zu den regelmäßigen „Spect“-Wochen ein. Dort spritzt man ihnen, sobald der Anfall beginnt, eine Substanz, die anzeigt, in welchem Hirn­areal er stattfindet. Dann bringt man sie zum MRT ins Universitätsklinikum Eppendorf, wo eine „Spect“-Spezialkamera das so markierte Gehirn aufnimmt. „Anhand der dort gewonnenen Information können wir besser entscheiden – und dem Patienten raten –, ob eine Operation hilfreich wäre“, sagt Stodieck.

Für die anderen bleiben nur die Medikamente. Aber obwohl viel geforscht werde, seien die zwar besser verträglich, aber kaum wirkungsvoller. Da es zudem viele Arten von Epilepsie gebe, bleibe es ein Ausprobieren: „Zwei Patienten mit derselben Art Anfälle sprechen völlig verschieden auf dasselbe Medikament an“, sagt Stodiek. „Und ein Drittel der Patienten wird mit gar keinem Medikament anfallsfrei.“

Dabei werde Epilepsie meist nicht vererbt, sondern entstehe im Laufe des Lebens. „Und das bedeutet für die Betroffenen auch heute noch oft eine Stigmatisierung“, sagt Stodieck. „Häufig sind die Probleme alltagspraktischer Art: Nicht-anfallsfreie Epilepsiekranke dürfen nicht Auto fahren und haben etliche weitere soziale Beeinträchtigungen. Ein Elektriker-Azubi oder ein Zahnarzt, der gerade ein Praxis eröffnet hat, bekommen Probleme, wenn sie plötzlich Epilepsie entwickeln.“

Um dem abzuhelfen, gebe es in Hamburg inzwischen das Netzwerk Epilepsie und Arbeit (NEA), in dem Betriebsärzte und Arbeitgeber darauf hinarbeiten, dass jemand, der neu Epilepsie entwickelt, den Arbeitsplatz behalten kann. Petra Schellen

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