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Kolumbien entdeckt den Honig

Honig stand auf dem kolumbianischen Frühstückstisch lange im Schatten von Panela, eingekochtem Zuckerrohrsaft. Das ändert sich. Die Nachfrage steigt. Unter den Neu-Imker:innen sind auch Ex-Guerilleros, die sich nun in Genossenschaften organisieren

4.650 Tonnen Honig aus den Waben von rund 140.000 Bienenvölkern

Von Knut Henkel

Víctor Cordero ist ein umsichtiger Mann. Der Geschäftsführer vom Red Ecol-Sierra, einer Bio-Genossenschaft aus Santa Marta, ist mit Kaffee großgeworden, jedoch ständig auf der Suche nach zusätzlichen Einkommensquellen für die knapp 400 Mitgliederfamilien. „Wir suchen nach neuen Standbeinen – neben dem Kaffee. Rund fünfzig unserer Mitgliederfamilien produzieren auch Kakao, weitere 150 Honig. Deren Zahl steigt in Ciénaga und Fundación ständig“, so Cordero. Hinter dessen Schreibtisch stehen sowohl Kaffeebeutel mit dem Fair-Trade-Logo, aber auch mehrere Kunststoff- und Glasflaschen mit goldgelbem Honig. „Miel de la Sierra“ steht darauf, Honig aus der Sierra. Die Sierra Nevada de Santa Marta, das höchste Küstengebirge der Welt, ist gemeint und dort liegen die Gemeinden Ciénaga und Fundación, wo sowohl Bio-Kaffee als auch immer mehr Honig produziert wird. Dafür bietet die Region optimale Bedingungen. Hohe Artenvielfalt, dichte Primär- und Sekundärwälder, aber auch Sumpfgebiete liefern den Bienen optimale Bedingungen.

Das schlägt sich in der wachsenden Honigproduktion vom Red Ecol-Sierra nieder. Rund 25 Tonnen wurden 2021 produziert und landesweit verkauft. Mit rund 25 Kilogramm pro Bienenvolk liegen die Erträge der Imker des Red Ecol-Sierra im nationalen Durchschnitt, berichtet Cordero. Er hat zwar immer die Preisentwicklung auf dem internationalen Markt im Blick, doch beim Honig spielt der bisher keine Rolle. „Honig ist in Kolumbien en vogue. Die Preise pro Kilo nicht zertifizierter Waren liegen auf genau dem Niveau, dass für Bio-Honig auf dem internationalen Markt geboten werden“.

Rund vier US-Dollar sind das. Diese Summe geben auch mehr und mehr Ko­lum­bia­ne­r:in­nen für das süße Vergnügen aus. Honig läuft der Panela, dem in steinharten Brocken angebotenen eingekochten Zuckerrohrsaft, zumindest in den besseren Stadtvierteln der großen Städte den Rang ab. Gesünder Leben lautet dort die Devise. Die hat den Schwenk zum Honig in den letzten Jahren eingeleitet. Derzeit kommen die laut offiziellen Statistiken 4.677 Imker des Landes der Nachfrage kaum hinterher. 4.650 Tonnen Honig wurden 2021 aus den Waben von rund 140.000 Bienenvölkern geerntet. Beachtliche Zuwächse von über 50 Prozent in den letzten sieben Jahren.

Im Vergleich mit Mexiko, Argentinien oder Chile ist die kolumbianische Branche noch ein Zwerg, aber einer mit immensem Potenzial. Das soll fortan genutzt werden und dafür wurde im Mai 2021 ein Gesetz verabschiedet. Dessen Ziele lauten: sowohl die Honigproduktion anzukurbeln als auch den Schutz der Bienen zu verbessern. Rund 450 verschiedene Arten der fleißigen Insekten, die etwa 85 Prozent aller Pflanzen bestäuben, gibt es in dem für seine klimatische Vielfalt bekannten Land. Das sorgt für eine extrem hohe Artenvielfalt, in dem von drei Bergketten der Anden zerschnittenen Land. All das garantiert glänzende Bedingungen für die Bienenzucht. Das hat sich in den letzten Jahren herumgesprochen, wie die steigende Zahl der Imker, aber auch die Gründung neuer Unternehmen zur Vermarktung des Honigs zeigt.

Doch es gibt noch einen weiteren Faktor, der für den Aufschwung der Bienenzucht immens wichtig ist: das im November 2016 unterzeichnete Friedensabkommen zwischen der Regierung und der größten Guerillaorganisation des Landes, der Farc (Fuerzas Armadas Revolucionarios de Colombia). Diesem Abkommen ist zu verdanken, dass die Kampfhandlungen in vielen ruralen Regionen des Landes weitgehend eingestellt wurden. Dies wiederum ermöglichte die Gründung etlicher neuer Imker-Genossenschaften, aber auch honigvermarktenden Unternehmen. Das schlägt sich in der Rangliste der honigproduzierenden Regionen Kolumbiens nieder. Antioquia, ein vom Bürgerkrieg extrem gebeutelter Verwaltungsbezirk, führt sie mittlerweile an.

Aus der dort gelegenen Gemeinde Anorí stammt ein besonderer Blütenhonig, der in Höhenlagen um die 1.000 Meter gewonnen wird: „Miel de la Montaña“. Der „Honig aus den Bergen“ wird von Imkern geerntet, die noch bis 2016 die Region unsicher machten: ehemalige Farc-Guerilleros. Die haben ihre Waffen gegen die Schleuder getauscht, aus der der Honig am Ende der Saison in große gelbe Fässer und kleine, handliche Gläser fließt. Zwanzig Imker, Männer und Frauen, gehören zu der Genossenschaft, die von Jahr zu Jahr mehr Bienenvölker hegen und pflegen. Etwa hundert sind es mittlerweile und die Marke mit dem flüssigen, bernsteinfarbenen Blütenhonig hat ihre Fans. Das könnte auch daran liegen, dass unter dem Markenlogo noch die Worte „Wille zum Frieden“ aufgedruckt sind.

Doch auch in Kolumbien benötigen die Nützlinge Schutz. Intensive Landwirtschaft wird dort großgeschrieben. Das Land verfügt mit rund 100.000 Hektar zertifizierter Bio-Anbaufläche nur über rund 15 Prozent dessen, was Nachbar Peru zu bieten hat. Zudem werden im Anbau von Avocado und Zitrusfrüchten Insektizide wie Fipronil eingesetzt, die in Europa verboten sind. Für Bienen eine ernste Gefahr, so Wissenschaftler der Universität del Rosario aus Bogotá. Die forschen an einem Nahrungsergänzungsmittel, das die Bienen unempfindlich gegen die Folgen des Kontakts mit Pestiziden machen soll. Derzeit laufen die Studien, um die Wirksamkeit des Präparats zu beweisen. Ein Hoffnungsschimmer nicht nur für die Imker in Kolumbien.

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