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Kinotipp der WocheRegenbogen extrem

Die Auswahl der Filme für das „Xposed Queer Film Festival“ ist so divers und international, wie sie es für so ein Festival nur sein kann.

Szene aus „24“ (R: Royston Tan) Foto: Haver Filmes

Derick hat nicht nur eine Mutter, sondern gleich vier Mütter. Tamy, Bruna, Chiva und Ana. Regenbogenfamilie extrem. Irgendein Vater spielt keine Rolle. Mit seinen vier Müttern lebt Derick abgeschieden in einem brasilianischen Wald und ist Mitglied einer Art queerfeministischen, anarchistischen Kommune, die bewusst abseits der Städte haust.

Die Frauen brauchen keine Männer, nicht einmal für den Bau eines Hauses, gleichgesinnte Freundinnen helfen ihnen bei der Arbeit, Solidarität unter Frauen ist Trumpf.

Regisseurin Cássio Kelm Soares bietet in ihrem Dokumentarfilm “Mothers of Derick“ (2020) Einblicke in diese ungewöhnliche Lebensgemeinschaft. Begnügt sich aber nicht damit, bloß abzubilden, sondern lässt ihre Protagonistinnen ganz unvermittelt Songs vortragen oder rappen, in denen das Patriarchat und Misogynie beschimpft werden.

Die Dokumentation mischt sich so mit Elementen des Musicals. Man sieht die queeren Hippies, die versuchen, im Einklang mit der Natur zu leben und schamanistische Tänze aufführen, die das scheinheilige Christentum verdammen und den Traum vom Matriarchat leben.

Dem Brasilien von heute, das von einem rechtsextremen Präsidenten regiert wird, setzen die Aussteigerinnen ihr eigenes Wertesystem entgegen. Und Derick, dem Jungen mit den vier Müttern, scheint es dabei ziemlich gut zu gehen.

“Mothers of Derick“ ist einer der vielen Filme aus aller Welt, die beim 16. “Xposed Queer Film Festival Berlin“ gezeigt werden. Vom 26. bis zum 29. Mai sind diese in den Berliner Kinos Wolf, Il Kino und Moviemento zu sehen, zusätzlich wird eine Auswahl an Filmen via Stream zugänglich gemacht.

Die Auswahl der Filme ist so divers und international, wie sie es für so ein Festival nur sein kann. Dokumentationen, Lang- und Kurzfilme werden genauso gezeigt wie Experimentelles. Eher zur letzten Kategorie zählt beispielsweise die Bild- und Tonmeditation “24“ des queeren Filmemachers Royston Tan aus Singapur.

Von Sexclub bis Regenwald

In dieser besucht ein Tonmeister die unterschiedlichsten Orte, vom Sexclub bis zum Regenwald und der Peking Oper, 24 an der Zahl. Überall stellt er sich hin mit seinem Mikrophon und nimmt einfach stumm und geduldig das auf, was ihm gerade geboten wird.

Als Zuschauer wandert man mit ihm von Szene zu Szene. Eine Mischung aus Poesie und Surrealismus entfaltet sich. Surreal wirkt das Gezeigte vor allem deswegen, weil der Tonmeister bereits tot ist, ein Geist, der noch einmal den Geräuschen auf der Erde lauscht.

Wie bei “24“ ist auch bei anderen Filmen des Xposed-Festivals das Thema Queerness nicht unbedingt vordergründig. Es schleicht sich oft einfach nur subtil mit ein, was mit dazu beiträgt, dieses nicht mehr als das große Besondere zu betrachten, sondern als völlig normal.

Was nicht heißt, dass Dramen, die speziell von trans Personen handeln und Menschen, die schauen müssen, wie sie ihr Leben nach dem Coming Out sortieren müssen, dabei zu kurz kommen würden.

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