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Onlinemarketing-Sause in HamburgRockstars in den Messehallen

In Hamburg trifft sich der digitale Kapitalismus. Für den Glamour muss aber ein Held des 90er-Jahre-Hollywood-Kinos sorgen.

Wenn die Onliner Glamour brauchen, muss einer wie er ran: Rockstarregisseur Quentin Tarantino Foto: Jordan Strauss/Invision/AP/dpa

Hamburg taz | Dass Onlinemarketing das ist, was die meisten Menschen nervt am Internet, ist natürlich nur schlecht informiertes Ressentiment. So, wie es jede Häme wäre über all die – völlig individuell, versteht sich – zu denselben Outfit- und sonstigen Geschmacksentscheidungen gelangten Leute, die sich am Dienstag schlangenförmig vor den Hamburger Messehallen angeordnet haben sollen: Da drin nämlich findet noch bis Mittwoch Abend das Festival „OMR“ statt, dessen Veranstaltende diesmal 60–70.000 Be­su­che­r*in­nen erwarten.

Diese – laut lokalen Boulevardmedien – „Mega-Messe“ startete vor inzwischen elf Jahren als deutlich kleinerer Kongress „Online Marketing Rockstars“. Damals wie heute aber richtet man sich an „Online-Marketing-Macher, die fachlich auf dem Laufenden bleiben und sich vernetzen wollen“; es sollen übrigens auch ein paar Ma­che­r*in­nen gesehen worden sein im Lauf der Jahre … nee, Quatsch: Dass diese Branche eine besonders testosteron-schwangere wäre, ist auch wieder nur so ein Klischee in den Köpfen derer, die keine Akkreditierung ergattert haben.

Um den Kongress-Kern gruppieren sich inzwischen auch eine Branchenmesse mit, so heißt es, über 500 Ausstellenden, es können Masterclasses besucht werden, „Guided Tours“ mitgemacht und „Side Events“ genossen – „Ihr bekommt so viel Content geliefert, wie noch nie“, heißt das dann auf der OMR-Homepage. Aber auch wenn Audi einer von zwei Hauptsponsoren ist, ist das Ganze natürlich keine dieser hüftsteifen Boomer-Messen, nein, es gibt auch Konzerte und Skaten und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, steht nicht auch der eine oder andere Tischfußballtisch auf dem Gelände herum.

Abends stehen Konzerte auf dem Festivalprogramm, wer genau alles auftritt, wurde vorher nicht verraten, dafür aber, wer als „Speaker“ gewonnen werden konnte. Und das größte Bohei machen die Aus­rich­te­r*in­nen dann plötzlich gar nicht um einflussreiche Podcasterinnen wie die famose Kara Swisher oder all die ach so wagemutigen Tech-Investoren; wobei: Wenn nun Ashton Kutcher auftritt, dann tut er das nicht als Leinwand-Celebrity oder Klatschspalten-Gatte, sondern, eben, weil er auch schon Geld in Start-ups gesteckt hat, darunter welche, die sich mit maximal unsexy Kram beschäftigen wie: Versicherungen.

Über-Nerd entdeckt das Netz

Selbst Kutchers OMR-Teilnahme aber wird überschattet von der Quentin Tarantinos. Den konnten die OMR-Leute kriegen, weil ihn das Filmfestival von Cannes eh schon nach Europa führt. Am späten Mittwoch Nachmittag soll das zuletzt etwas ins Zwielicht geratene Wunderkind des 90er-Jahre-Kinos also in Hamburg sprechen – über Hollywood und „die neue ­Streaming-Welt“, aber auch die vielleicht ausgenudeltsten buzzwords weit und breit: „Podcasts, NFTs, Storytelling“.

Branchenmedien zufolge plant Tarantino tatsächlich einen Podcast, „in dem er seine riesige Film- und Musiksammlung bespricht“. Nun sind Typen, die am Mikro ihr kulturelles Kapital ausbreiten, ein reichlich durcherzähltes Genre, und damit wäre Tarantino, dieser Über-Nerd, vielleicht 2005 vorne dran gewesen, aber gut: Auch Hillary Clinton podcastet heutzutage.

Viel bezeichnender: Entweder sie hat noch keine echten eigenen Stars, diese digital-mobil-interaktive, so ganz andere Industrie, die sich da versammelt; und muss deshalb auf einen leicht abgefrühstückten Vertreter einer anderen, vergangenen Ära setzen, wenn es glamourös werden soll. Oder Elon Musk hatte schlicht keine Lust.

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