: Streit um Versammlungsfreiheit
In Hamburg wurden zwei Aktivist:innen von der Polizei am Sammeln von Unterschriften gehindert. Der Vorwurf: Wer sammelt, muss auch eine Veranstaltung anmelden. Die Bürger:innen wehren sich nun
Von Leopold Pelizaeus
Wie nah Recht und Unrecht beieinander liegen, haben kürzlich zwei Bürger:innen in Hamburg erfahren. Dörthe S. war mit einem Bekannten unterwegs, um Unterschriften für die Bürgerinitiative „Reclaim Your Face“ zu sammeln, die europaweit gegen das Sammln und Verwenden biometrischer Daten eintritt. Am Eingang des Adolf-Jäger-Stadions in Hamburg-Altona stellte S. einen Klapptisch auf und legte Zettel für Unterstützer:innen bereit.
„Gerade der Fußball wäre ja von biometrischer Gesichtserfassung stark betroffen und deshalb haben wir uns vor das Fußballstadion gestellt“, sagt S. Den Klapptisch hatten sie für Menschen dabei, die sich vor Corona schützen wollen und nicht gleich Zettel in der Hand der Sammler:innen unterschreiben wollten.
Kurz darauf erschienen drei Polizeibeamte, von denen einer sie beschuldigte, eine Straftat zu begehen. Der Vorwurf: S. sei Verantwortliche einer nicht angemeldeten Versammlung. Doch gelten spontane Aktionen wie eine Unterschriftensammlung schon als anmeldepflichtige Versammlung?
Der Hamburger Rechtsanwalt Marc Meyer sagt: Nein. Er hält nicht das Erscheinungsbild, sondern den subjektiven Grund der Aktion für entscheidend, also warum sich Bürger:innen auf die Straße begeben. Die Rechtslage ist hier jedoch nicht eindeutig. Und auch Anwalt Meyer, der die beiden Unterschriftensammler:innen vertritt, sagt: „Was eine Versammlung ist, darüber lässt sich trefflich streiten.“
Grundsätzlich schützt das Grundgesetz die Versammlungsfreiheit. Jedoch nur solche Versammlungen, die auch angemeldet sind. Sie bedürfen keiner Genehmigung durch Behörden, informieren muss man den Staat aber trotzdem. So verschafft sich die Polizei einen Überblick über Größe und Dauer der Versammlung und kann gegebenenfalls den Verkehr umleiten oder für den Schutz von Demonstrierenden sorgen.
Für die Polizei Hamburg, bei der die Versammlungsbehörde angesiedelt ist, beginnt eine Versammlung, sobald mehrere Personen anwesend sind und eine Meinungskundgabe erfolgt, indem etwa Plakate und Transparente getragen oder Reden gehalten werden. Wie viele Personen als „mehrere“ gelten, will die Behörde nicht spezifizieren.
Daher rät die Versammlungsbehörde grundsätzlich dazu, Versammlungen oder Aufzüge – also eine sich bewegende Versammlung mit fester Strecke – jeder Art anzumelden, auch kleinere Aktionen. Denn: Nur eine angemeldete Versammlung ist eine juristisch sichere. Ein Polizeisprecher weist darauf hin, dass auch das Unterschriftensammeln als Meinungsäußerung gewertet werden kann, Banner hin oder her.
So war es auch bei Dörthe S. und ihrem Bekannten. Der Polizist warf den beiden Agitation im öffentlich Raum vor. Und dafür brauche es eine Anmeldung. Rechtsanwalt Meyer hält das für falsch. Meinungsaustausch sei eine notwendige Bedingung, um Unterschriften zu sammeln. Ohne gehe es nicht.
Doch der Staat ist hier konsequent: Wer als Veranstalter:in einer nicht angemeldeten Veranstaltung auftritt, begeht eine Straftat. Auf der sicheren Seite ist, wer sich spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe des Versammlungtermins bei der Behörde meldet. In Hamburg ist online ein vorgefertigtes Formular hinterlegt, das man herunterladen und ausgefüllt einsenden kann.
Wer Infostände, Tische oder Pavillons zum Flyerverteilen mitbringen möchte, muss sich an das zuständige Bezirksamt wenden. Auch hier gilt: Ohne Anmeldung ist man im Zweifel Straftäter:in.
Rechtsanwalt Meyer will zumindest weiter dafür streiten, dass man Unterschriften auch unangemeldet sammeln darf. „Damit Recht eingemeindet wird, braucht es Querulanten“, sagt er.
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