piwik no script img

Ukraine: Raketen treffen Bahnhof

35 Erwachsene und vier Kinder sterben, während sie auf ihre Evakuierung aus Kramatorsk warten. EU-Chefin von der Leyen besucht in Kiew Präsident Selenski

Foto: Am Bahnhof von Kramatorsk tragen Helfer eine Leiche weg Foto: Andriy Andriyenko/ap

Von Stefan Schaaf

Beim Raketenbeschuss des Bahnhofs der ostukrainischen Stadt Kramatorsk sind am Freitagmorgen mindestens 39 Zi­vi­lis­t:in­nen getötet und 89 verletzt worden, teilte der Stadtrat mit. Zu dem Bahnhof waren seit Tagen Tausende aus der Region evakuiert worden, Hunderte warteten auf den Bahnsteigen auf Züge. Im Donbass im Osten der Ukraine wird derzeit eine neue Offensive des russischen Militärs erwartet, nachdem es sich aus dem Gebiet um die Hauptstadt Kiew zurückgezogen hatte.

Olexander Hontscharenko, der Bürgermeister von Kramatorsk, wird auf dem Twitter-Account von Nexta-TV aus Warschau mit den Worten zitiert: „Viele Menschen in lebensbedrohlichem Zustand, ohne Arme oder ohne Beine.“ Es seien etwa 30 oder 40 Ärzte vor Ort mit Notoperationen beschäftigt. Von Nexta-TV werden auch Fotos von Trümmerteilen der russischen Raketen mit der aufgepinselten Aufschrift „Für Kinder“ gezeigt. In prorussischen Kanälen des Netzwerks Telegram habe es zunächst geheißen, der Angriff hätte ukrainischen Soldaten auf dem Bahnhof gegolten. Dann erklärte das russische Verteidigungsministerium, es habe am Freitag keinen russischen Raketenbeschuss der Stadt gegeben.

Am gleichen Tag waren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger sowie mehrere EU-Parlamentarier mit dem Zug aus dem Osten Polens in Kiew angekommen. Von der Leyen sah in ihrer Reise ein „deutliches Zeichen der Unterstützung für die Ukrainer“.

In Kiew wollte die Delegation mit Präsident Wolodimir Selenski sprechen, unter anderem über einen EU-Beitrit des Landes. Ein entsprechender Antrag soll dem Europäischen Rat noch im Sommer vorgelegt werden, hofft von der Leyen. Unklar war, ob sie auch in den Ort Butscha fahren wird, wo Hunderte Zi­vi­lis­t:in­nen offenbar während der russischen Besetzung ermordet worden waren.

Selenski sagte in einer Videobotschaft, dass es es weitere Orte bei Kiew gebe, so etwa Borodjanka, wo noch schlimmere Kriegsverbrechen begangen wurden. Dort wird derzeit in den Trümmern nach Leichen gesucht. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba versprach, von der New York Times veröffentlichte Videomaterial über die Erschießung von vier schwerverletzten russischen Soldaten durch ukrainische Kämpfer zu prüfen und den Vorwürfen nachzugehen.

Als Reaktion auf das Massaker an Zivilisten in Butscha hatten die EU-Mitgliedsstaaten am Donnerstag weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen. Darunter sind ein Importverbot für russische Kohle ab August, neue Handelsbeschränkungen und eine Sperrung von EU-Häfen für russische Schiffe.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow räumte am Donnerstag in einem Interview mit dem britischen Sender Sky News ein, Russland habe beim Angriff auf die Ukraine bedeutende Verluste erlitten. „Es ist eine gewaltige Tragödie für uns.“ Doch gehe er davon aus, dass der Militäreinsatz die von Präsident Wladimir Putin gesetzten Ziele in naher Zukunft erreichen werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen