Russen-AKW gestoppt

Finnischer Konzern kündigt Vertrag mit Rosatom zum Bau des sechsten Atomkraftwerks im Land. Baukosten von bislang fast einer Milliarde Euro

Von Reinhard Wolff

Es wird in Finnland kein neues AKW unter russischer Regie geben. Fennovoima, das Elektrizitätsunternehmen, das 2015 mit dem russischen Staatskonzern Rosatom einen Vertrag zum Bau und Betrieb von Hanhikivi-1, einem an der finnischen Westküste nahe dem Ort Pyhäjoki gelegenen AKW-Neubauprojekt, geschlossen hatte, kündigte diesen Vertrag am Montag auf. Zur Begründung wird auf erhebliche Bauverzögerungen verwiesen. Und darauf, dass Rosatom auch fünf Jahre nach Baubeginn noch nicht die erforderlichen Unterlagen für eine Genehmigung des eigentlichen Reaktorbaus vorlegen konnte.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde zunächst offiziell nicht als eigentlicher Grund für die Vertragskündigung genannt. In einer Pressekonferenz betonten der Fennovoima-Chef Joachim Specht und Esa Härmälä, der Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens, es habe „kein einzelnes Ereignis gegeben“, das zu der Entscheidung geführt habe. Verantwortlich sei eine „Anhäufung“ von Problemen gewesen.

Das peinliche Bemühen, keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Baustopp und dem Krieg herzustellen, dürfte neben juristischen Gründen auch der Eigentümerstruktur von Fennovoima geschuldet sein. Dazu gehört nämlich neben drei Dutzend finnischen Unternehmen und kommunalen Elektrizitätsgesellschaften auch Rosatom selbst. Der russische Atomkonzern hält rund ein Drittel der Anteile.

Planungs- und vorbereitende Arbeiten sollen bereits fast eine Milliarde Euro gekostet haben. Es könnte noch teurer werden. Unklar sei nämlich noch, ob Rosatom wegen der Kündigung Schadenersatzforderungen stellen würde, erklärte Härmälä: „Wir haben sie am Freitag informiert. Es gab noch keine Reaktion.“ Das Wirtschaftsministerium indes begrüßte die Vertragsauflösung als „gerechtfertigt und konsequent“. Die Regierung war seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine kritisiert worden, dass sie nicht von sich aus den Weiterbau sanktioniert hatte. Die Bauarbeiten waren bis Ende April weitergegangen. Bis zu 500 Arbeiter waren zuletzt mit Vorbereitungen für das Fundament des Reaktorgebäudes beschäftigt.