Emeli Glaser
Der Wochenendkrimi
: Wenn der wahre Fall erst nach der Verurteilung beginnt

Die Ermittlungen von Bibi Fellner (Adele Neuhauser) werden immer mehr zum Verwirrspiel Foto: Degeto/ARD

Um 14.07 bin ich aus dem Bus gestiegen“, sagt der Mann. „Ich bin zwischen 14.09 Uhr und 14.12 Uhr zu Hause angekommen“, fährt er fort. Er sitzt in seinem Haus in einem Wiener Vorort sitzt und blickt starr geradeaus. Neben ihm auf dem Sofa liegt die blutüberströmte Leiche seiner Frau. Ihr Kopf liegt in seinem Schoß. Die Er­mitt­le­r:in­nen fragen, was passiert sei, nachdem er zu Hause angekommen ist. Er antwortet: „Um 14.39 Uhr habe ich die Polizei gerufen.“

Die österreichischen Kom­mis­sa­r:in­nen Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ermitteln in einem Fall, der anfangs eindeutig wirkt, aber immer mehr zu einem Verwirrspiel mit vielen falschen Fährten wird.

Der Mann, der in seinem Wohnzimmer neben zwei Frauenleichen sitzt – der seiner Ehefrau und einer ihrer Freundinnen –, heißt Stefan Weingartner (Johannes Zeiler) und gesteht sofort alles: Er kommt früher von der Arbeit nach Hause, er hört seine Frau beim Sekttrinken mit einer Freundin vom tollen Sex mit ihrem Liebhaber erzählen, er sticht beiden Frauen ein Küchenmesser in den Hals.

Der wirkliche Fall beginnt für Fellner und Eisner allerdings erst nach dem Strafprozess: Als der Staranwalt, der Weingartner verteidigt hat, tot in seinem Büro gefunden wird. Erst verhilft der seinem Mandanten zum Freispruch, kurz danach hat er eine Kugel in der Brust.

Ein Motiv haben viele: Weingartners Tochter, die ihren Vater hinter Gittern sehen will und über ihr Alibi lügt (ihr Freund habe an jenem Abend Rindsroulade mit Reis für sie gekocht, dabei hatte er dazu Bandnudeln serviert). Eine Reinigungskraft, deren Nichte von dem Anwalt vergewaltigt wurde, putzt in der Tatnacht in dem Gebäude, in dem sein Büro ist. Und zur selben Zeit verschwindet Weingartner, kurz nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Der einzige Anhaltspunkt: Eine Blumenhändlerin und „Schicksalsbekanntschaft“, die Weingartner Briefe ins Gefängnis geschrieben hat.

Das Ambiente dieses „Tatorts“ versetzt Zuschauende ästhetisch zurück zu den Anfängen der Krimireihe: in die Siebzigerjahre. So sehr, dass man sich fast wundert, als Eisner das Smartphone des toten Anwalts zückt und in der Leichenhalle vor dessen Gesicht hält, um es mit Face-ID zu entsperren.

In „Alles was Recht ist“ erzählt Regisseur Gerald Liegel in modernen Bildern und einer düsteren, stimmungsvollen Welt von Hass, Reue und russischem Roulette. Und am Ende vor allem davon, was religiöser Fundamentalismus für Folgen haben kann.

Wien-„Tatort“: „Alles was Recht ist“, So., 20.15 Uhr, ARD