Zahlen zu rechter Gewalt in Berlin: Mehr Angriffe sichtbar
Berliner Registerstellen verzeichnen Höchststand rechter, rassistischer und antisemitischer Vorfälle – auch weil mehr Partnerorganisationen mitmachen.
Die einzige Zahl, die gesunken ist, ist die der (körperlichen) Angriffe (2020: 372; 2021: 294). Das liege daran, so Becker, dass das LKA aus Datenschutzgründen seine Zahlen nicht mehr zur Verfügung stelle. Die auffälligsten Steigerungen gibt es bei den antisemitischen Vorfällen (2020: 2.234; 2021: 2.951) sowie den Fällen von struktureller Diskriminierung (2020: 174; 2021: 398). Bei der Art der Delikte ist Propaganda (2020: 2.234; 2021: 2.951) weiterhin mit über 60 Prozent die größte Kategorie.
Hierunter zählen etwa die Benutzung von NS-Symbolen und Holocaust-Vergleichen, mit denen Coronaleugner und Querdenker*innen die Pandemiepolitik kritisieren. 2021 seien zudem die Bundes- und Abgeordnetenhauswahlen ein weiterer Anlass für rechtsexterme Propaganda im Stadtbild und im Internet gewesen, so Becker.
Auch der im Frühjahr 2021 aufgeflammte palästinensisch-israelische Konflikt sei vielfach „zum Anlass genommen worden, antisemitisch zu handeln“, ergänze Julia Kopp, von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), einem der Kooperationspartner. Der Konflikt in Nahost gebe jedoch, wie die Pandemie, nur eine „Gelegenheitsstruktur“ für Antisemitismus – sei also kein Grund, betonte sie. Gewalt gegen die Sichtbarkeit jüdischen Lebens zeige sich auch losgelöst von solchen Anlässen. Beispiel dafür seien etwa vier zerstörte Chanukka-Leuchter im Dezember in vier Bezirken.
Therapeutische Hilfe
Den großen Anstieg bei struktureller Diskriminierung führte Becker vor allem auf das wachsende Netzwerk der Kooperationspartner zurück. Mehr Beratungsstellen im Bereich Antidiskriminierung stellten den Registern ihre Daten zur Verfügung. 86 Prozent dieser „strukturellen Fälle“ hätten einen rassistischen Hintergrund. Becker: „Sie steigen nicht an, weil sie häufiger passieren, sondern weil sie dank der Beratungsstellen und der Betroffenen, die sie melden, sichtbarer werden.“
Insgesamt sind 29 Prozent aller Vorfälle rassistisch motiviert (2020: 1.306; 2021: 1.428). Zu den Stellen, die solche Fälle melden, gehört auch die Beratungsstelle von Each One Teach One (Eoto). Dort habe es im vorigen Jahr 177 Meldungen zu anti-schwarzem Rassismus gegeben, sagte Joanna James, Leiterin der Eoto-Beratungsstelle. Auffällig fand sie, dass fast die Hälfte der Ratsuchenden einen Bedarf an therapeutischer Hilfe geäußert habe, „weil Rassismuserfahrungen eine anhaltende psychische Belastung für sie sind“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!