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Nonstop-Experimente

Kosmos, Körper, Comic und Psychedelik: Eine Ausstellung im Bröhan-Museum zeigt Krautrock-Plakate

Von Martin Conrads

Es war der 3. Mai 1969, als der „Underground“ auch in der Köln-Deutzer Sporthalle aufschlagen sollte. Unter diesem Motto hatte der Veranstalter, die „Progressive art production“, so einiges Experimentelles angekündigt: Musikgruppen wie die bald darauf unter dem Begriff „Krautrock“ vermarkteten Amon Düül II oder Guru Guru Groove sollten neben bildenden Künst­le­r*in­nen wie Valie Export und Peter Weibel für „3 Stunden – nonstop – Beat Experimente – Theater – Experimente – Aktionen – Experimente – Light Show internationale Undergroundfilme“ sorgen.

Dass schon im Vorfeld der Veranstaltung Polizei und Ordnungsamt auf den Plan gerufen waren, lag jedoch weniger am Line-up, Wording oder transgressiven Schlagzeugsolos als am Plakat von Paul Fuchs, ebenfalls teilnehmender Künstler und Musiker. Auf diesem war, etwas schemenhaft, eine menschliche Figur zu sehen, bei der sich „in der Höhe des Geschlechtsteils der dargestellten Person“ ein weißer Fleck befand, wie das Kölner Ordnungsamt bemäkelte. Der Abbruch der Veranstaltung blieb jedoch aus, da die auf dem Plakat mutmaßlich dargestellte Musikerin Limpe Fuchs für die Bühne ihren gesamten Körper blau bemalt hatte – und eben nicht an einer Stelle weiß oder – Genitalpanik! – gar nicht.

Das Plakat ist das älteste, das nun in einer Ausstellung im Bröhan-Museum zu sehen ist: „Krautrock-Plakate“ zeigt Originalplakate aus einer westdeutschen Musik- und Kulturszene, die im Nachhall von Beat und 1968 den vom Schlager beseelten 1970er Jahren eine subkulturelle Note verpasste, nicht zuletzt durch nicht enden wollende Free-Jazz-Improvisationen in politisierten Bauernhofkommunen. So unterschiedliche Formationen wie Neu!, Kraftwerk, Embryo oder Frumpy trugen zudem dazu bei, die Reputation von aus Deutschland kommender Pop-Musik auch im Ausland nachhaltig zu verändern.

Viele Covermotive der dazugehörigen Platten sind dabei ins (sub-)kulturelle Gedächtnis eingegangen – etwa das vom Hamburger „Wandrey’s Studio“ gestaltete Cover der „The Can“-Platte „Monster Movie“ oder das vom „Kraftwerk“-Kollaborateur Emil Schult entworfene „Autobahn“-Artwork. Dass die aus dieser Szene heraus entstandenen Plakate, die teils von renommierten Gestaltern wie Holger Matthies oder Karl Oskar Blase entworfen wurden und sich von den Plattencovern oft unterschieden, hingegen kaum bekannt sind, liegt nicht zuletzt, zumal bei Tourplakaten, an ihrem temporären Verwendungszweck.

Gerd Siekmann, in Berlin lebender Plakatsammler, ließ der Krautrock nach einem „Birth Control“-Konzert 1972 für ein paar Jahre nicht mehr los. Später begann er, entsprechende Plakate zu sammeln, rund 400 Exemplare sind im Lauf der Zeit zusammengekommen, rund 80 davon – manche druckfrisch, andere unauffällig restauriert – sind nun in der Ausstellung zu sehen. Nicht nur als musikalische, sondern auch als eng mit Politik verbundener Bewegung sieht Siekmann den Krautrock, weshalb ihm der vom Museum gewählte Ausstellungstitel zu eng erscheint. Sein von ihm gemeinsam mit dem Grafikdesigner Sebastian Köpcke im Eigenverlag produziertes und zeitgleich mit der Ausstellung erschienenes Buch, das auch dort nicht ausgestellte Plakate dokumentiert, versah er mit dem Titel „German Underground. Concert Posters 1968–1981“.

Beide, Buch und Ausstellung, zeigen: So ähnlich sich die Plakate in ihrem Begehren sind, im Kampf gegen die vorherrschende ästhetische Ordnung (etwa der damals in der Kultur maßgeblichen Schweizer Schule der Plakatgestaltung) Grenzen zu überwinden, so unterschiedlich waren die Mittel, dies zu tun – sowohl technisch als auch ästhetisch. Gemein ist vielen Motiven ein Hang zum Kosmischen, Körperlichen und Pflanzlichen, aber ob man diesem Hang mit Mitteln des Jugendstils, des Surrealismus, der Psychedelik, des Comics, der Fotomontage, der Zeichnung oder einer Kombination verschiedener dieser Techniken nachgab, darüber ist kein Konsens auszumachen.

Zum Glück, muss man heute festhalten, denn der hier dokumentierte farbenfrohe Eklektizismus füllt nicht nur eine bisher übersehene Lücke in der Geschichte deutscher Plakatgestaltung, sondern räumt auch mit manchem Mythos auf: So taucht auf dem psychedelisch-mushroomigen Comicentwurf für das „Vierte Odenwald Rockfestival“ im Juli 1980 neben typischen Krautrock-Bands auch der Name der Punkband „Hans-A-Plast“ auf. Ab 1980 sind Krautrockplakate von New-Wave-Plakaten kaum noch zu unterscheiden. Es gibt Dinge zwischen Beat und Punk, die waren in Vergessenheit geraten.

„Krautrock-Plakate“, Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Di.–So. 10–18 Uhr. Bis 24. April

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