: „Eigenheiten überprüfen“
Die Stadtgalerie Kiel hat zum siebten Mal italienische Gegenwartskunst zu Gast – warum eigentlich?
Peter Kruska
geboren 1970, promovierter Kunsthistoriker, leitet seit 2017 die Stadtgalerie Kiel.
Interview Frank Keil
taz: Herr Kruska, wie kam Italien in den Norden – also italienische Gegenwartskunst schon in die Stadtgalerie Kiel?
Peter Kruska: Das Projekt „Premio Fondazione“ gibt es seit 2003, die Kooperation mit uns ist 2008 entstanden. Getragen wird es von der Stiftung VAF mit dem Ziel, italienische Gegenwartskunst zu fördern – im Ausland. Lange hatten italienische Künstler in der internationalen Szene einen schweren Stand. Volker Feierabend, der Gründer der Stiftung, hat zu Kiel gute Beziehungen persönlicher Art. Er hat uns das Projekt vorgestellt. Wir wiederum fanden es sehr interessant, gerade hier mal Kunst aus dem Süden Europas zu zeigen.
Wie entscheidend ist daran das Italienische?
Man muss sich natürlich fragen, ob eine Ausstellung, die sich an nationalen Grenzen orientiert, heutzutage noch Sinn macht, weil sich die Grenzen zunehmend auflösen, wir uns in einer globalisierten Welt befinden, es eine allgemeine Kunstsprache gibt.
Aber?
Na ja, wir als Stadtgalerie haben den Fokus auf Kunst aus dem Ostseeraum, also orientieren wir uns hier auch an Kunst mit einer gewissen Regionalität. Wenn man Länderausstellungen macht, kann man gut überprüfen, ob es wirklich keine länderspezifischen Eigenheiten mehr gibt, wie man schnell behauptet. Oder kann man sie doch entdecken? Wir alle haben irgendwelche Stereotypen oder Vorstellungen im Kopf, wenn wir über Italien reden oder über Dänemark oder über England.
Ich erinnere mich ans letzte Mal – und die für mich ungewohnte Gegenwärtigkeit katholischer Bildwelten.
Ausstellung „IX. Premio Fondazione VAF. Aktuelle Positionen Italienischer Kunst“: Eröffnung am Fr, 11. 3., 19 Uhr, Kiel, Stadtgalerie, bis 22. 5.
Es geht um katholische und überhaupt um traditionelle Bildwelten. In der jetzigen Ausstellung setzt sich ein Künstler mit Leonardo da Vinci auseinander. Oder es gibt einen, der hat aus Naturmaterialien einen Altar aufgebaut, der Bezug nimmt auf einen Altar von Hieronymus Bosch. Das ist ein Spezifikum, das sich immer wieder gezeigt hat. Was auch nicht wundert: Wenn man durch Rom geht, muss man nur in eine Kirche gehen, da sind die Alten Meister zu sehen, man spürt ihre Omnipräsenz. Das ist eine Bilderwelt, die wir hier oben im protestantisch geprägten Norden so nicht haben.
Mit entsprechendem Blick betrachten wir das Andere?
Ich betrachte in der Ausstellung eine Skulptur von Dario Tironi aus Plastikabfällen – und sehe die Form einer antiken Skulptur. Ich frage mich, warum ich dieses Kunstwerk als antike Skulptur definiere, obwohl es gar nichts mehr damit zu tun hat, außer eben über die Form. Von diesen Bezügen können wir uns nicht freimachen, Kunst baut auf Tradition auf, auf einem Bildgedächtnis, auf einer Kultur- und Kunstgeschichte. Und aus der werden immer wieder Versatzstücke genommen, um neue Fragen zu stellen und neue Themen zu finden.
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