Faschings-Tatort aus München: Ein rastloses Rotkäppchen
Im neuen Batic/Leitmayr-Tatort geht es ums Flirten im Fasching und den unvermeidlichen Absturz. Gemordet wird aber auch.
Fasching ist so lustig, man möchte direkt sterben. Das scheint sich zumindest der unterbehosteFranz Leitmayr (Udo Wachtveitl)zu denken, als die besoffene Kasperparade unter seinem Fenster richtig gute Stimmung verbreitet. Sein Kollege Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) ist da von einem anderen Schlag und macht sich auf einer Faschingsparty zwei Marienkäferchen klar, die er aber nicht mit nach Hause nehmen kann und deshalb bei Leitmayr zwischenparkt.
Fast erleichtert wirkt jener, als er sich wegen eines Leichenfundes in die Arbeit stürzen kann. Ein älterer Herr wurde tot im Park gefunden, und so beginnt die Ermittlung in der reich geschmückten Kneipe „Irmis Stüberl“, in der er kurz zuvor eingekehrt war.
Neben ein paar unterhaltsamen Befragungen von faschingstrunkenen Verkleideten entschließen sich die Kommissare, ein nicht mehr ganz zurechnungsfähiges, aber tendenziell als Zeugin wichtiges Rotkäppchen namens Silke (Nina Proll in Bestform) mit auf die Wache und in die Ausnüchterungszelle zu nehmen.
Untermalt von gassenhauerischer 80er-Musik, stellt sich dann heraus, dass der tote Mann ein Goldhändler war, der sich in krumme Geldwäschegeschäfte in Südafrika verstrickte. Doch er wurde nicht durch einen flachen Milieumord aus dem Leben entfernt, sondern durch etwas viel Unüblicheres.
Leben voller Fehlentscheidungen
München-„Tatort“: „Kehraus“, So., 20.15 Uhr, ARD
Was zunächst als semispannender Kriminalfall beginnt, entpuppt sich als sehr interessantes und sensibel gezeichnetes Porträt einer rastlosen Frau, die nie wirklich angekommen scheint und auf ein Leben voller Fehlentscheidungen zurückblickt.
Das Rotkäppchen ist die tragende Figur dieses Tatorts und nimmt die Zuschauer*innen mit auf eine Reise zwischen Willensstärke und Tragik, nachhaltigen Zufällen und falschen Entscheidungen. Wir blicken tief in die Seele einer Frau, die zwar gefallen ist, sich dabei aber ihre Würde und ihren Stolz behalten möchte, nicht aufgegeben hat und immer noch etwas erreichen will.
Nachdrücklich die Szene, in der das Rotkäppchen Batic eine Lebensweisheit von Apple-Gründer Steve Jobs mit auf den Weg gibt: „Du bist der Durchschnitt der fünf Leute, mit denen du dich umgibst.“ Nicht minder nachdrücklich, wie Batic in der nächsten Szene im Revier sitzt und eine Liste der Menschen erstellt, die ihn umgeben. Die finale Frage dieses Tatorts ist: Gelingt dem Rotkäppchen der große Coup? Gönnen würde man es ihr!
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