piwik no script img

Unterversorgte Kinderstationen in BerlinMehr Protest für kranke Kinder

Die Charité-Personalräte schließen sich dem Brandbrief der Kin­der­ärz­t:in­nen an. Die Unterversorgung in Rettungsstellen für Kinder sei dramatisch.

Kin­der­ärz­t:in­nen berichten von einer dramatischen Unterversorgung für Kinder und Jugendliche Foto: dpa

Berlin taz | Der Druck auf Politik und Klinikleitung erhöht sich weiter: Weil sich die Arbeitsbedingungen in den Kinderrettungsstellen und Kinderstationen der Charité trotz mehrerer Brandbriefe bislang nicht substanziell verbessert haben, schließen sich nun auch die Personalvertretungen der Charité offiziell den Forderungen an. Dies geht aus einem der taz vorliegenden Brief hervor, der am Freitag intern veröffentlicht wurde. Adressiert ist er an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) und den Vorstand der Charité.

Von einer unerträglichen Situation in den Kinderrettungsstellen und auf den Kinderstationen berichten Ärz­t:in­nen seit Monaten auch öffentlich. Die meisten bleiben anonym – aus Angst vor Karrierenachteilen und Jobverlust. Nach Berichten über zu knappe Betten im Herbst und einem ersten Brandbrief von Mit­ar­bei­te­r*in­nen einer Kinderrettungsstelle im November erreichte der Kampf um bessere Bedingungen im Januar einen vorläufigen Höhepunkt.

In einem Brandbrief hatten sich Kinderärz­t:in­nen fast aller Kinderkliniken Berlins zusammengeschlossen. Die Versorgungsengpässe, insbesondere in den Rettungsstellen, werden darin als dramatisch beschrieben. Es bestehe eine akute Gefährdung für Kinder und Jugendliche im Bundesland. Gegenüber der taz berichteten mehrere Ärz­t:in­nen von brenzligen Situationen, in denen kranke Kinder aus Personalnot spät oder unzureichend versorgt wurden.

Im Brandbrief werden unter anderem ein fester Personalschlüssel für die Kinderrettungsstellen und versorgenden Stationen, eine Modernisierung der alten, zeitfressenden IT und eine Überholung des für die Pädiatrie ungeeigneten Systems der Krankenhausfinanzierung gefordert.

Keine Reaktion der Verantwortlichen

Doch weder der angesprochene Gesundheitsminister Lauterbach noch Gesundheitssenatorin Gote hätten auf den Brief reagiert, beklagt einer der In­itia­to­r:in­nen gegenüber der taz. Vonseiten diverser Klinikleitungen wurde auf taz-Nachfrage abgewiegelt: Teils verwies man auf den anonymen Charakter des Schreibens, teils auf die besondere Situation in der Pandemie oder auf die vorrangige Notwendigkeit politischer Schritte.

Im aktuellen Schreiben aller drei Personalräte der Charité heißt es nun: „Nachdem die Personalratsgremien sich damit befasst haben, unterstützen wir die Forderungen der Beschäftigten in den Kinderkliniken Berlins für mehr Personal und ausreichende Finanzierung uneingeschränkt.“ Damit sind nicht länger nur die Ärztinnen im Boot, sondern auch die mindestens genauso betroffenen Pflegekräfte.

Die Leitung der Charité reagierte am Sonntag auf taz-Nachfrage mit den gleichen Sätzen auf das aktuelle Schreiben wie schon auf den vorherigen Brandbrief: „In der Vergangenheit ist unsere Kinder-Notaufnahme bereits personell verstärkt worden, jedoch können auch dadurch, insbesondere bei Spitzenbelastungen, Engpässe und längere Wartezeiten leider nicht definitiv vermieden werden“, heißt es. Zur Verbesserung der Situation würden aktuell in diesem Bereich elektive Eingriffe abgesagt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    47261 (Profil gelöscht)

    von der Öffentlichkeit und Presse gar nicht wahrgenommen, kam es z.B. 2020 auch zu einer vorrübergehenden Schließung einer Station der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Berlin in Klinikum am Friedrichshain. Hier eine Erklärung der Pressestelle des Vivantes:



    "Aus organisatorischen Gründen und um personellen Engpässen aufgrund der Pandemie-Situation vorzubeugen, hat die Klinik für Kinder- und Jungendpsychiatrie des Vivantes Klinikum im Friedrichshain am 06. November 2020 für voraussichtlich zwei Wochen die Station 8.11 vorübergehend geschlossen. Es besteht bereits ein vorübergehender Aufnahmestopp für die Station 8.22. Die Aufnahme und Versorgung von Patient*innen ist jedoch weiterhin sichergestellt, da die Kinder- und Jugendpsychiatrie weitere zwei Stationen, zwei Tageskliniken und die Psychiatrische Institutsambulanz betreibt."



    Das hat auch die Schwächsten getroffen. Zudem in einer Situation, in der die psychische Belastung der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche in aller Munde war......interessant, dass da behauptet wird, dass die Aufnahme und Versorgung sichergestellt bleibt. Nicht nur in den Rettungsstellen (das will ich nicht relativieren: das ist dramatisch), aber auch in den Kinder- und Jugendpsychiatrien ist die Unterversorgung massiv.