piwik no script img

Einigung im MissbrauchsprozessRausgekauft!

Der britische Prinz Andrew hat sich außergerichtlich mit Virginia Giuffre geeinigt. Von vielen wird das als Erfolg gefeiert – aber ein Erfolg für wen?

Hat tief in die Tasche gegriffen, um nicht unter Eid aussagen zu müssen: Prinz Andrew Foto: David Mirzoeff/Reuters

Bevor der Missbrauchsprozess gegen den britischen Prinz Andrew überhaupt starten konnte, ist er schon wieder vom Tisch. Statt monatelanger Verhandlungen im Scheinwerferlicht soll auf einmal alles schnell und diskret abgewickelt werden. Am Dienstag wurde durch ein Gerichtsdokument bekannt, dass sich der Angeklagte und die US-amerikanische Klägerin Virginia Giuffre außergerichtlich geeinigt haben.

Um welche Summe es dabei geht, darüber soll geschwiegen werden. Andrew soll aber eine „bedeutende Spende“ an eine von Giuffre gegründete Organi­sation für Missbrauchsopfer geben. Dass Giuffre auch privat Geld bekommt, gilt als unumstritten. Dreißig Tage hat der Sohn von Queen Elizabeth II. Zeit für die Zahlung. Falls das Gericht die Einigung annimmt, wird es keinen Zivilprozess geben.

Giuffre hatte den Prinzen zuvor beschuldigt, sie 2001 im Alter von 17 Jahren mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Sie sei vom Investmentbanker Jeffrey Epstein, der jahrelang einen Missbrauchsring betrieb, und seiner Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell dazu gezwungen worden. Andrew hatte die Vorwürfe stets strikt zurückgewiesen und behauptet, er könne sich nicht daran erinnern, Giuffre jemals getroffen zu haben.

Im März hätten Andrew und Giuffre unter Eid aussagen sollen. Im Herbst hätte der Prozess dann in New York stattgefunden. Dazu wird es vermutlich nicht mehr kommen. Und das scheint viele zu freuen. Die außergerichtliche Einigung wird von verschiedenen Seiten als Erfolg gefeiert.

Störfaktor für Queen

Für Andrew selbst ist es vermutlich der bestmögliche Ausgang: Er erspart sich einen unangenehmen Prozess, in dem unter der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit jedes Detail der Missbrauchsvorwürfe verhandelt worden wäre. Schon 2019 hatte Andrew nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe und seiner Verbindungen zu Epstein seine royalen Pflichten abgelegt und sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

Anfang diesen Jahres hatte er schließlich alle militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften zurückgegeben. Rehabilitiert ist Prinz Andrew sicher nicht mit dieser Einigung, aber immerhin musste er durch den Vergleich kein Schuldeingeständnis abliefern.

Der Buckingham Palace äußert sich bislang nicht zu der Einigung. Doch in der britischen Presse wird sie auch als ein Erfolg für die Königsfamilie gelesen, gab es doch Befürchtungen, der Prozess könne die Feierlichkeiten zum 70-jährigen Thronjubiläum der Queen im Sommer überschatten.

Als Sieg verbucht

Auch die gegnerische Seite jubiliert. Virginia Giuffres An­wäl­t*in­nen zeigen sich zufrieden, sie selbst erhält den Schadensersatz, für den sie lange gekämpft hat. Britische Boulevardmedien schreiben, es ginge insgesamt um Zahlungen in Höhe von 12 Millionen Pfund. Zudem umgeht sie mit der Einigung einen Prozess, der für sie sicherlich schmerzhaft und retraumatisierend gewesen wäre.

Und Lisa Bloom, US-amerikanische Anwältin von acht Missbrauchsopfern Epsteins, kommentierte bei Twitter: „Wir begrüßen den heutigen Sieg von Virginia. Sie hat geschafft, was sonst niemand geschafft hat: Prinz Andrew dazu zu bringen, seinen Unsinn zu beenden und sich auf die Seite der Opfer sexuellen Missbrauchs zu stellen.“ Ist die außergerichtliche Einigung also ein Sieg in alle Richtungen? So einfach ist es nicht. Auch wenn es auf individueller Ebene verständlich ist, wieso sowohl Giufrre als auch Andrew dem Vergleich zugestimmt haben, bleibt die Frage, was solche Entscheidungen gesellschaftlich bedeuten. Was es für ein Justizsystem und für Betroffene sexualisierter Gewalt heißt, wenn Menschen mit viel Geld sich freikaufen können, wenn ihnen Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen wird.

Außergerichtliche Einigungen sind keine Seltenheit, doch als juristisches Mittel bei Vorwürfen sexualisierter Gewalt durchaus kritisch zu sehen. Dass Prinz Andrew vermutlich einen Betrag in Millionenhöhe an einen Opferverband spenden muss, ist zu begrüßen. Organisationen dieser Art sind für Betroffene unerlässlich und in der Regel chronisch unterfinanziert.

Vorerst ein Schlussstrich

Dass diese also von Tä­te­r*in­nen mitfinanziert werden, ist eine gute Idee. Andrew hat sich außerdem erstmalig von Jeffrey Epstein distanziert und Giuffres Schmerz anerkannt. Genauer hieß es: „Prinz Andrew hatte nie die Absicht, Frau Giuffre zu verleumden, und er akzeptiert, dass sie sowohl als Opfer von Missbrauch als auch als Folge unfairer öffentlicher Angriffe gelitten hat.“ Zudem stimmte er zu, sich künftig gegen Sexhandel und für Missbrauchsopfer einzusetzen.

All das sind Mittel, die in den USA unter restorative justice (wiedergutmachende Gerechtigkeit) fallen. Ein Ansatz, der in Deutschland mit dem Täter-Opfer-Ausgleich vergleichbar ist und statt Bestrafung auf Wiedergutmachung als Dienst an der Gesellschaft setzt. Doch eigentlich steht dies am Ende eines Prozesses und nach einem Schuldeingeständnis. Zwei entscheidende Dinge, die im Fall von Prinz Andrew fehlen.

Dabei wäre dieser Prozess wichtig gewesen. Als Teil des Missbrauchsring von Jeffrey Epstein, bei dem mindestens 100 meist junge Frauen betroffen waren, hätte er neue Erkenntnisse und Mit­wis­se­r:in­nen liefern können. Selbst nach der Verurteilung seiner Gehilfin Maxwell sind noch viele Fragen offen. Stattdessen sieht es nun so aus, als gäbe es einen Schlussstrich – war der Fall Andrew doch das letzte große Zivilverfahren in der Angelegenheit. Prinz Andrew wird künftig vermutlich schweigen. Geld macht’s möglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Wer genug Geld hat, kann alles machen. In allen Länder, keine einzige Ausnahme..

    Egal Kapitalismus, Kommunismus, Diktatur, Sozialismus, Monarchie oder Relgionsgeführte System.. Oder anderen.

    Lass uns die Gerechtigkeit genießen!



    Wo immer wie leben.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Robert Boyland:

      Das geschätzte Vermögen von Queen Elizabeth II beträgt 425 Millionen Euro.

      Die Queen wird vom britischen Volk finanziert. Das jährliche Gehalt von Queen Elizabeth II beträgt 76,1 Millionen Pfund. (Quelle: www.vermoegenmagazin.de)

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Das muss man sich mal reinziehen. Der Prinz kauft sich frei, muss nicht in den Knast. Auf der anderen Seite wird jemand wie Julian Assange im Knast festgehalten, nur weil er die Wahrheit gesagt und dolumentiert hat.

    Was für dein übles Rechtssystem.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "...er könne sich nicht daran erinnern, Giuffre jemals getroffen zu haben."

    Es gibt doch ein Foto!!



    Wahrscheinlich hat er mit so vielen Frauen rumgemacht, dass er sich an die eine halt nicht mehr erinnert.

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Leider scheint das Original dieses Fotos verlegt worden zu sein. Der Anwalt von Giuffre hat entweder ganz schlechte Arbeit geleistet oder es war alles so geplant, dann ist dies ebenso mies an den anderen Opfern.

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Leider scheint das Original dieses Fotos verlegt worden zu sein. Der Anwalt von Giuffre hat entweder ganz schlechte Arbeit geleistet oder es war alles so geplant, dann ist dies ebenso mies an den anderen Opfern.

  • Der gnädige Herr "Prinz" muss also nicht vor Gericht. Wer hätte das gedacht? In meinen Augen zeigen diese außergerichtlichen Vergleiche eine -vorsichtig ausgedrückt- "Unwucht" des Justizsystems. Es bevorteilt Menschen mit Macht und Geld. Und diese Vergleiche sind da nur das augenfälligste Merkmal. Wer glaubt denn wirklich, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand ein Heer an Anwälten, die 1200€ die Stunde verdienen, beschäftigen kann, oder ob er einen Pflichtverteidiger hat? Wäre der "Prinz" nicht "Prinz" und wäre er nicht steinreich, dann wäre er vor Gericht gelandet und mit Sicherheit verurteilt worden - die kolportierte Summe stinkt so extrem nach Schuldeingeständnis, dass es weh tut. Ich sehe ein, dass solche Vergleiche auch dem geschädigten Menschen zusätzliches Leid ersparen, trotzdem fällt es wirklich schwer bei solchen Meldungen davon auszugehen "alle" seien vor Recht und Gesetz gleich. Geld macht's möglich - völlig richtig! -- Mal ne Suggestivfrage: Ist das eigentlich ein demokratisches Problem, wenn ich mich unter Einsatz extremer Geldmittel aus justizieller Verfolgung "herauskaufen" kann?

  • Die Umrechnung Pfund Euro fehlt.

  • Jetzt muss nur noch der Papst seinen Segen dazu geben, und alles ist wieder gut