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Erinnerungen an die StudienjahreRoaring twenties reloaded

Oberbürgermeister Belit Onay hofft auf goldene Zwanziger für Hannover. Die goldenen Zwanziger der Kolumnistin spielten zufällig auch in Hannover.

Der Glanz der späten 1920er Jahre: Die Kuppel des Anzeiger-Hochhauses in Hannover Foto: Peter Steffen/dpa

O berbürgermeister Belit Onay hat seine Neujahrsansprache mit der Pointe enden lassen: „Wer weiß, vielleicht beginnen für Hannover gerade die Goldenen Zwanziger“. Das ist natürlich ein bisschen leichtsinnig, weil man sich ja in Deutschland zwanghaft immer fragt, ob diese schönen Zwanziger überhaupt zu haben sind, ohne die dreckigen Dreißiger gleich mit in Kauf nehmen zu müssen, aber sei es drum.

Ich habe jedenfalls meine persönlichen goldenen Zwanziger in dieser Stadt (und ein paar italienischen) verlebt, ich erwähnte das vielleicht schon mal. Das beschert mir immer noch eine ganze Reihe von seltsamen Déjà-vus und kleinen Löchern im Raum-Zeit-Kontinuum.

Vielleicht kennen Sie das, wenn Sie woanders studiert haben und nach Jahren zurückkommen. Man flackert sozusagen geistig ständig zwischen seinem jungen und seinem alten Ich hin und her. Wenn ich durch Linden-Nord oder Bologna laufe, wird mir davon regelrecht schwindelig.

Auf der einen Seite springt einen von manchen Fassaden aus sofort so eine verschwommene Erinnerung an, an diese oder jene WG-Party, Geknutsche im Regen, durchquatschte Nächte, unfassbar geistreiche Gespräche (so brillant und geistreich wie man sich eben nur nachts mit Mitte 20 finden kann und das auch nur bis zum Morgen).

Manchmal glaube ich sogar Leute von damals auf der Straße zu sehen: diese Art zu laufen oder zu gestikulieren, diese Jacke, diese Haare, diese Tasche, das ist doch … bis mir wieder einfällt, dass die ja auch längst grau und dick und weg sein müssten, eigentlich.

Löcher im Gehirn

Auf der anderen Seite hat sich natürlich auch vieles verändert, dieser und jener Laden, dieses und jenes Publikum, selbst mein alter Edeka sieht innen drin jetzt ganz anders aus und ich fühle mein Greisinnen-Ich missbilligend ihr Haupt schütteln: Das war früher aber nicht so.

Manchmal treffe ich auch Leute von früher wieder, die jetzt Führungspositionen inne haben und denke für einen Moment „Hahaha, guter Witz, was machst du denn da?“, bevor mir einfällt, dass ich jetzt „Sie“ sagen muss. Zum Glück passiert das nicht allzu häufig, ich kenne natürlich kaum Leute in Führungspositionen, so was gehört sich in meinem Milieu ja nicht.

Ich will hier jetzt auch nicht so klingen, als würde ich nonstop meinen Studienjahren hinterher weinen, das stimmt so ja nicht. Da war natürlich auch vieles scheiße in den goldenen Zwanzigern, wie überall, wenn man genau genug hinguckt.

Es amüsiert mich eher, wie mein eigenes Gehirn mich da foppt, vielleicht auch langsam löchrig wird. Neulich musste ich sehr lange rechnen, als ich nach meinem Alter gefragt wurde. Ich wusste es in dem Moment wirklich nicht.

Mit Sentimentalitäten kann ich schon deshalb nicht viel anfangen, weil ich mich an vieles nachweislich nicht erinnern kann. Ich gehe deshalb auch nicht zu Klassentreffen.

Und dieses sentimentale „Ach-weißte-noch-damals“-Gesinge, dass sich in den letzten Jahren im Deutschpop breit gemacht hat, ist mir extrem suspekt. Da stimmt doch was nicht, wenn Männer schon mit Mitte dreißig sentimental werden, denke ich. War es das denn etwa schon? Kommt da nix mehr?

Nee, dann doch lieber nochmal Zwanziger und so tun, als wäre alles noch drin – für wen auch immer.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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