Fifa-Wahl zur Weltfußballerin: Frontfrau mit Reichweite
Alexia Putellas wird von der Fifa zur weltbesten Fußballerin ausgezeichnet. Beim famos spielenden FC Barcelona ist sie Dreh- und Angelpunkt.
Die Veranstaltung am Weltverbandssitz in Zürich kam aus Pandemiegründen zwangsweise aseptisch daher, kürte bei den Männern anders als beim Goldenen Ball den Bayern-Stürmer Robert Lewandowski vor Lionel Messi, produzierte teils absurde Resultate wie eine Frauen-Jahreself ohne Spielerin von Champions-League-Sieger Barcelona oder eine Männerelf im real inexistenten 3-3-4-System und ließ die fortschreitende Gesichtsmumifizierung des mit einem Ehrenpreis für seinen internationalen Torrekord ausgezeichneten und persönlich anwesenden Cristiano Ronaldo erkennen.
Aber zumindest Putellas wirkte bei ihrer kurzen Siegerschalte natürlich, selbstbewusst wie diskret, empowert wie allürenfrei, „Symbol der neuen Macht“ („Sport“) der Frauen im Fußball wie in der spanischen Gesellschaft.
Beim FC Barcelona gilt sie als Abbild der hauseigenen Fußball- und Lebensschule; als Barça durch und durch. Die Werte des Klubs repräsentierte ihr Team zuletzt wesentlich besser als das System „Messi und zehn andere“, das die Männer nach dem Abgang des Superstars mit einer schweren Krise bezahlen. Die Frauen dagegen kreiseln ihre Gegnerinnen mit kollektivem Passfußball in Grund und Boden, ein Rädchen greift ins andere, jede spielt fürs Ganze. Linksfuß Putellas ist der Gravitationspunkt dieser Stilmaschine: „Ich treffe gern Entscheidungen, denke beim Spielen über die besten Optionen nach: Wie kann ich einer Mitspielerin mehr Zeit und Raum geben?“
Viele Talente in Spanien
Technisch und taktisch perfekt hat sie zusätzlich zu ihren 13 Torvorlagen diese Saison auch schon 18 Tore erzielt – eine „total footballerin“, wie sie der verstorbene Klubheilige Johan Cruyff nicht besser erträumen konnte. „Sie strahlt unglaubliche Passion aus“, sagt Kollegin Ana Maria Crnogorcevic. „Sie ist der absolute Leader bei uns.“
Mit zwölf musste Alexia ihren Herzensklub allerdings erst mal verlassen – für ihr Alter gab es kein Mädchenteam. Sie wechselte zum Lokalrivalen Espanyol, für den sie mit 16 in der ersten Liga debütierte, dann zu Levante, doch als Barça den Frauenfußball stärker ins Visier nahm, kehrte sie 2012 schnell zurück. In ihren ersten Champions-League-Spielen setzte es ein 0:3 und 0:4 gegen Arsenal. Diese Saison wurde derselbe Gegner 4:1 und 4:0 besiegt. „Ich habe immer gesagt, dass es viel angeborenes Talent in Spanien gibt“, so Putellas. „Alles, was es brauchte, war ein Projekt und Zeit.“
Zu deren Beginn verlor Putellas ihren wichtigsten Begleiter. Vater Jaume hatte ihre Fußballleidenschaft genährt, sie zu Ronaldinho, Messi oder Eto’o ins Camp Nou mitgenommen und zu jedem eigenen Spiel begleitet. Als sie 18 war, starb er. Auf dem Rücken trägt sie ein Tattoo nach einem Kinderfoto, auf dem sie mit einem Barça-Ball auf Jaumes Schoß sitzt. „Er ist der Mensch, für den ich alles mache“, sagt sie, und als sie bei der Gala des Goldenen Balls schluchzte, „ich hoffe, du wärst stolz auf deine Tochter“, war mit ihr ganz Spanien zu Tränen gerührt.
In Barcelona sind in drei Tagen alle 85.000 Eintrittskarten für das Champions-League-Viertelfinale Ende März gegen Real Madrid abgesetzt worden, das die Frauen erstmals im Camp Nou spielen. Auf den Werbeplakaten in der Innenstadt ist Putellas präsent wie die Stars der Männer, seit dem Goldenen Ball stehen die Sponsoren erst recht Schlange und hat sich ihre Instagram-Follower-Zahl verdreifacht.
Putellas ist viel zu sehr Fußballerin, um sich davon ablenken zu lassen, aber ihre neu erwachsene Vorbildrolle nimmt sie an; weniger zugespitzt als eine Megan Rapinoe, eher auf ihre Art. Als sie im Dezember mit dem Sankt-Georgs-Kreuz, der höchsten kulturellen Auszeichnung Kataloniens, geehrt wurde, erklärte sie: „Bei allen Pokalen und Preisen der letzten Zeit: Der wahre Triumph wird kommen, wenn Jungs und Mädchen zu 100 Prozent dieselben Möglichkeiten haben, im Sport und in der Welt generell.“ Die Regierung forderte sie „in aller Bescheidenheit“ auf, diesen „Prozess zu begleiten und mit uns anzuführen“. Denn: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!