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apokalypse der wocheEndgültig vorbei: Der CO2rona-Effekt

Wie groß waren letztes Jahr die Hoffnungen, dass der ganze Pandemiemist wenigstens zu etwas gut wäre: Keiner geht shoppen oder auf Reisen, die CO2-Emissionen sinken endlich kräftig. Das war aber nur ein frommer Wunsch. Denn schon 2021, immerhin auch noch ein halbes Coronajahr, sind die Emissionen wieder zurück: Auf 772 Millionen Tonnen, also um 33 Millionen oder 4,5 Prozent, sind die klimaschädlichen Abgase im Vergleich zum Vorjahr geklettert, gab in der vergangenen Woche der Thinktank Agora Energiewende bekannt. Damit liegen wir nur bei minus 38 Prozent seit 1990, verfehlen also das 40-Prozent-Ziel für 2020. Und schlimmer noch: Deutschland liegt auch neben der Spur, was das neue Ziel für 2030 angeht – minus 65 Prozent.

Dabei sieht das Jahr 2021 auf den ersten Blick im Vergleich zum letzten Normaljahr gar nicht schlecht aus. Denn die Emissionen liegen immerhin 5 Prozent niedriger als 2019. Aber auch da sind noch Corona-Effekte eingrechnet, heißt es von der Agora. Und dass 2021 ein annus horribilis für den Klimaschutz war, liegt auch daran, dass alles andere schiefging: ein kalter Winter mit viel Heizung, im Vergleich zu anderen Jahren wenig Wind, wenige neue Windanlagen in Betreib, hohe Gaspreise, was wiederum zu mehr Kohleverbrennung führte – und eine Erholung der Wirtschaft, die dann doch weniger grün umgebaut worden war, als die Regierung immer erzählt hatte.

Im Ergebnis führt das dazu, dass der Gebäudesektor 2021 die Vorgaben aus dem Gesetz reißt. Auch im Verkehr wurde im letzten Jahr mehr ausgestoßen als vorgesehen. Die Energiewirtschaft erfülllt die Vorgaben zwar, rettet aber nicht wie geplant durch stärkere Reduktionen der Gesamtbilanz den Hintern.

Und jetzt? Muss die Regierung ordentlich Dampf machen, um die „Umsetzungslücke“ zwischen den großartigen Zielen des verschärften Klimaschutzgesetzes von 2021 und der grauen Wirklichkeit zu schließen, sagt der neue Agora-Deutschlandchef Simon Müller. Vor allem für eine sozial abgefederte Wende beim Energieverbrauch in den Gebäuden müsse viel kommen. Aber auch eine Offensive beim Ausbau der Photovoltaik sei nötig, die schnell und einfach Ökostrom ins Netz bringe. Gefordert sei ein Sofortprogramm für die Energiewende, das die Regierung ja auch demnächst vorlegen will.

Vorsichtshalber hat die Agora so ein Programm im letzten Jahr schon mal geschrieben – und das dürfte im Ministerium nur zu gut bekannt sein: Denn der damalige Chef des Thinktanks, Patrick Graichen, ist jetzt als Staatssekretär im Klimaministerium von Robert Habeck zuständig für die Umsetzung der Energiewende. (bpo)

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