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„Spiegel“ darf Beitrag über Julian Reichelt nicht online lassen

Der Spiegel muss einen Artikel über den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt mit dem Titel „Vögeln, fördern, feuern“ aus dem Netz nehmen. Dies bestätigte ein Gerichtssprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag. In dem im März veröffentlichten Beitrag hatte der Spiegel über mutmaßlichen Machtmissbrauch in der Bild-Redaktion und insbesondere über das Verhalten Reichelts berichtet. Die jetzige Gerichtsentscheidung ist nicht die erste im Fall Reichelt gegen den Spiegel. Im Mai hatte der 41-Jährige bereits vor dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen das Nachrichtenmagazin erreicht. Infolgedessen ergänzte die Redaktion den nun nicht mehr aufrufbaren Onlineartikel um eine Stellungnahme Reichelts aus dem Gerichtsverfahren.

Genau diese Ergänzung hält das Landgericht dem neuen Ordnungsmittelbeschluss nach aber nicht für ausreichend, sagte der Gerichtssprecher. Die Pressekammer habe entschieden, dass die so im Internet belassene Berichterstattung noch immer gegen die ursprüngliche Verbotsverfügung verstoße, und daher ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 Euro verhängt. Dafür sei entscheidend, dass die Berichterstattung ungeachtet der ergänzten Textpassagen immer noch genau den Sachverhalt betrifft, auf den sich das Verbot beziehe, nämlich auf den Verdacht des Fehlverhaltens gegenüber Frauen, des Machtmissbrauchs und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. Das Magazin hält diese Einschätzung für falsch und hat vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Beschwerde eingereicht, wie eine Spiegel-Sprecherin dem epd sagte. Zudem sei die Berichterstattung „von der Realität überholt worden“, da sich die Vorwürfe tendenziell bestätigt hätten.

Nach der ersten Veröffentlichung der Anschuldigungen war Reichelt auf eigenen Wunsch freigestellt worden, der Axel-Springer-Konzern leitete eine Compliance-Untersuchung ein. Ende März kehrte Reichelt zurück. Im Oktober wurde er dann mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Als Grund gab der Konzern an, er habe als Folge von Medienrecherchen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten Reichelts gewonnen. Vor Bekanntgabe der Entscheidung des Axel-Springer-Vorstands zur Entlassung Reichelts veröffentlichte der Spiegel am Abend des 18. Oktober online Teile einer Recherche über ihn. Der Fokus des Artikels lag auf dem Umgang Reichelts mit ihm unterstellten Mitarbeiterinnen. (epd)