Alternative Nobelpreise: „AkteurInnen des Wandels“
Die PreisträgerInnen des „Alternativen Nobelpreises“ 2021 stehen fest. Sie haben sich für Frauen, Indigene und Klimaschutz eingesetzt.
Mit Wladimir Sliwjak wird der Co-Vorsitzende und Mitbegründer von Ecodefense geehrt, einer der führenden Umweltorganisationen Russlands. Ecodefense engagiert sich für Umweltschutz, gegen die Atomwirtschaft und für die Förderung erneuerbarer Energien in Russland. Die Organisation hat Kampagnen gegen umwelt- und klimaschädliche Projekte wie den Abbau fossiler Brennstoffe geführt.
Dabei ging es um Ölbohrungen in der Ostsee oder Steinkohle-Tagebaue in Sibirien, deren Kohle teilweise auch nach Deutschland exportiert und im umstrittenen Steinkohlekraftwerk Datteln IV verbrannt wird. Außerdem beteiligte man sich an Protesten gegen den Import radioaktiver Abfälle aus Ländern wie Deutschland sowie an Aktionen gegen den Plan des Atomkonzerns Rosatom, bei der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen einzusteigen.
Obwohl Sliwjak und Ecodefense in den vergangenen Jahren wegen ihrer Arbeit zunehmend ins Visier der russischen Behörden geraten sind, hätten sie ihren Kurs beibehalten und Erfolge erzielen können, heißt es in der Preisbegründung. Das beweise, „dass selbst im autoritären Russland zivilgesellschaftliche Initiativen staatlich unterstützten Projekten wirksam etwas entgegensetzen können“.
„Hellauf begeistert“
Die indische „Legal Initiative for Forest and Environment“ (LIFE) erhält den Preis „für ihre innovative juristische Arbeit, mit der sie Gemeinden in Indien beim Schutz ihrer natürlichen Ressourcen und in ihrem Einsatz für eine ökologische Demokratie unterstützt“. Gegründet 2008 von den Rechtsanwälten Ritwick Dutta und Rahul Choudhary, machte sich die Organisation mit ihren JuristInnen zur Aufgabe, lokale Gemeinschaften dabei zu unterstützen, sich gegen umweltschädliche Anlagen oder die Abholzung von Wäldern zu wehren. Auch verklagte LIFE die Verursacher von Umwelt- und Gesundheitsschäden auf Entschädigungszahlungen. Einer der ersten Erfolge der Organisation war 2013 ein Verfahren gegen das britische Bergbauunternehmen Vedanta im Bundesstaat Odisha, das als Präzedenzfall gilt. Der Oberste Gerichtshof Indiens urteilte, dass für den Start eines solchen Projekts die Zustimmung der örtlichen Gemeinde erforderlich ist.
LIFE-Gründer Ritwick Dutta war „hellauf begeistert“ über die Preisverleihung: „Es ist unser erster internationaler Preis, er bedeutet sehr viel für uns und alle lokalen Gruppen in Indien, die wir unterstützen“. Die Auszeichnung werde helfen, „die Wirksamkeit unserer Arbeit zu erhöhen und mehr Menschen dabei zu unterstützen, die Natur und ihre Lebensgrundlagen zu schützen.“
Ein weiterer Preis geht nach Kamerun. Marthe Wandou wird für ihre Art des Kinderschutzes „angesichts terroristischer Übergriffe und geschlechtsspezifischer Gewalt in der Tschadseeregion in Kamerun“ geehrt. Die Juristin gründete 1998 die Organisation „Action Locale pour un Développement Participatif et Autogéré“ (ALDEPA) und engagiert sich seitdem für die Prävention und Bekämpfung sexueller Gewalt insbesondere gegen Mädchen sowie für die Betreuung der Opfer solcher Gewalt.
Arbeit mit Flüchtlingen und Binnenvertriebenen
Mehr als 50.000 Mädchen haben bisher von ALDEPA profitiert. Der ganzheitliche Ansatz der Organisation umfasst neben Bildung und rechtlichem Beistand auch psychosoziale Betreuung. Diese spielt eine besondere Rolle in Wandous Arbeit mit Flüchtlingen und Binnenvertriebenen infolge der Übergriffe der Extremistengruppe Boko Haram in der Provinz Extrême-Nord im Norden von Kamerun.
ALDEPA hat dazu beigetragen, Kinderehen nach und nach zurückzudrängen. Darüber hinaus fördert die Organisation Fortbildungen von Menschen, die im Kinderschutz tätig sind. In Fällen von Vergewaltigung, Entführung und körperlicher Gewalt unterstützt man Familien in Verfahren zur Strafverfolgung.
„In einem Umfeld, das von menschenrechtsverletzenden kulturellen Praktiken und existentieller Unsicherheit geprägt ist, übernimmt Wandou eine couragierte Führungsrolle im Kampf gegen sexuelle Gewalt und für das Wohlergehen von Mädchen und Frauen in Kamerun und im Tschadbecken“, heißt es in der Preisbegründung.
„Furchtlosen Einsatz“ will die Right Livelihood-Stiftung auch mit ihrem Preis für Freda Huson ehren. Sie ist ein weibliches Oberhaupt der Wet’suwet’en First Nation in der kanadischen Provinz British Columbia. Seit 2010 ist sie Koordinatorin des Unist’ot’en-Camp, das zum wichtigsten Anlaufpunkt für Angehörige der Wet’suwet’en und anderer indigener Völker in Kanada und von UmweltschützerInnen geworden ist. Sie kämpfen unter anderem gegen den Bau der Coastal GasLink-Pipeline, durch die Schiefergas durch British Columbia transportiert werden soll. Dieser Widerstand konnte das Pipeline-Projekt bislang bereits um Jahre verzögern, es ist aber nach wie vor im Bau.
„Gemeinsam können wir noch mehr erreichen“
„Ich protestiere nicht“, sagte sie kürzlich in einem Interview: „Ich befolge das Wet'suwet'en- Gesetz, indem ich mein Land besetze.“ Für ihr Volk bedeute die jetzige Auszeichnung, „dass wir noch mehr erreichen können, wenn wir uns mit vielen anderen auf der ganzen Welt zusammentun, die das gleiche Ziel verfolgen“.
Die Right Livelihood PreisträgerIinnen 2021 seien „unerschrockene MobilisiererInnen, die zeigen, was Graswurzelbewegungen bewirken können“, sagte Ole von Uexküll, Direktor von Right Livelihood. Die Vereinigung hat seit 1980 186 PreisträgerInnen aus 73 Ländern ausgezeichnet: Die AktivistInnen leisteten „nicht nur Widerstand, sondern mobilisieren ganze Gemeinschaften, ihre Rechte einzufordern. Sie werden zu AkteurInnen des Wandels, wo Regierungen versagen.“
Die PreisträgerInnen des Jahres 2021 werden am 1. Dezember im Rahmen einer Live-Veranstaltung in Stockholm geehrt.
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