: Winzer mit Weitblick
Andreas Scherr, Winzer in der Südpfalz, will es besser machen. Der ökologische Fußabdruck seines Familienunternehmens soll kleiner werden. Dabei hilft die Kooperation mit Fair’n Green
Auch wo die Ökologie im Vordergrund steht, spielt soziale Fairness eine bedeutende Rolle. Der eingetragene Verein Fair and Green vergibt sein Siegel für nachhaltigen Weinbau. 2013 gegründet, sind über 70 Weingüter zertifiziert. Die meisten davon in Deutschland, darüber hinaus auch Weingüter in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien und Israel. Ziel des Siegels ist es, Winzern dabei zu helfen, nachhaltig zu wirtschaften. Außerdem sollen nachhaltige Weine anhand des Siegels auf der Flasche für Konsumenten kenntlich gemacht werden. Die Zertifizierung ist über die gesamte Wertschöpfungskette an das Erreichen von Vorgaben in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales geknüpft. Darüber hinaus muss jedes Weingut Prozesse etablieren, um die Nachhaltigkeit stetig zu verbessern. Dabei werden die Unternehmen von einem Beratungsunternehmen betreut. Die Einhaltung der Kriterien wird von neutralen Gutachtern überprüft.
www.fairandgreen.de
Alle zwanzig bis dreißig Jahre wird ein Weinberg erneuert. Alte Rebstöcke landen dann geschreddert auf dem Kompost, neue werden angepflanzt. „Doch welcher Rebsorte gebe ich den Vorzug. Das ist jedes Jahr die große Frage“, so Andreas Scherr. „Diese Entscheidung ist für Zukunft unseres Familienunternehmens existenziell. Der Klimawandel sorgt dafür, dass hier an der südlichen Weinstraße in fünfzehn, zwanzig Jahren wahrscheinlich kein Riesling mehr gedeihen wird. Auf welche Traube setze ich also?“ Scherr zieht die Augenbrauen fragend nach oben.
Der Winzer in Hainfeld an der südlichen Weinstraße baut auf einer Rebfläche von etwas mehr als 23 Hektar mit seiner Familie die typischen Rebsorten der Pfalz an, darunter Riesling, Scheurebe, Sauvignon Blanc sowie sämtliche Burgundersorten.
Das hat Tradition, bereits seit 1782 ist die Familie Scherr im Weinanbau aktiv. Davon zeugen ein paar Relikte wie die Holzfigur des heiligen St. Urban, dem Schutzpatron der Winzer, der seinen Platz in der modernen Vinothek gefunden hat. Dort steht Scherr am Tresen, während sein Vater am anderen Ende des großzügigen Raumes Kunden bei der Wahl ihres Weines berät.
Der Klimawandel ist spürbar in der Pfalz, dem mit 23.000 Hektar zweitwichtigsten Anbaugebiet Deutschlands. Dort herrscht traditionell mit 1.800 Sonnenstunden im Jahr ein mildes, fast mediterranes Klima. Doch in den letzten Jahren mit Ausnahme des laufenden Jahres ist es deutlich trockener geworden. „Zusätzlich entzieht der Wind den Böden Feuchtigkeit und damit kommen die klassischen Trauben der Region immer weniger klar“, schildert der Winzer die zentrale Herausforderung. Folgerichtig könne die Rieslingtraube in den nächsten Jahren weiter nach Norden ziehen, Rotweintrauben Einzug halten in der Pfalz, so die Prognose des Weinbauern.
Im Jahr 2002 hat Scherr sein Studium der Önologie, der Weinkunde, in Geisenheim abgeschlossen und die Leitung des Familienbetriebes übernommen. Dabei legt der 47-Jährige Wert auf Nachhaltigkeit. Davon zeugt die Plakette, die neben dem Eingang zur Vinothek über der Bacchusbüste angebracht ist: Fair’n Green ist darauf zu lesen. Für Scherr ein Label, das auf stetige Weiterentwicklung setzt.
„Kontinuierlich besser werden ist die Devise. Weniger CO2 emittieren, weniger Wasser verbrauchen, Produktionsprozesse optimieren und nicht auf einem Standard stehenbleiben. Das finde ich gut“, so der Winzer. Er denkt dabei an seine drei Kinder. Denen will er einen funktionierenden Betrieb übergeben, der fit für die Zukunft ist.
Dazu gehört die Auswahl der richtigen Rebsorten, genauso wie die Optimierung der gesamten Produktionskette. Flaschen, die weniger wiegen, und Etiketten, die auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft gedruckt werden, sind genauso Usus wie die faire Entlohnung der Mitarbeiter sowie die Senkung des Wasserverbrauchs in allen Produktionsprozessen. Auch Verzicht auf chemische Düngemittel gehört dazu.
Das sind die Eckpunkte, an denen Scherr mit Fair’n Green ansetzt, um den ökologischen Fußabdruck seines Betriebs kontinuierlich kleiner werden zu lassen. Für den Winzer spielt dabei auch die Auswahl neuer pilzresistenter Rebsorten eine wichtige Rolle. Auf Grauburgunder, auf Müller-Thurgau-Reben setzt er derzeit und erneuert jedes Jahr rund zehn Prozent der Anbaufläche, um erst gar nicht das Risiko einer Überalterung einzugehen.
Parallel dazu werden die Böden mit Pferdemist gedüngt, Blütenmischungen sorgen für den nötigen Erosionsschutz und damit fährt der Winzer recht gut. „Anders als 2020 werden wir diesmal nicht Ende August, sondern erst Ende September mit der Lese beginnen. Bis dahin hoffen wir nach reichlich Regen noch auf einen Nachschlag an Sonne.“ Die soll den prallen Trauben den letzten Schliff geben, hofft Scherr und lässt die Finger nachdenklich durch den Bart gleiten. Knut Henkel
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