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Im Dunkeln ist schlecht munkeln

Mars Attacks im Volkspark Rehberge: Theaterhungrige irren beim Performance Walk nach H. G. Wells Klassiker durchs Dickicht. Die Hunde finden das interessant, den Waschbären ist es gleich

Es düstert schon im Volkspark Rehberge beim Performance Walk „War of the Worlds“ Foto: Anne Brammen

Von Katrin Bettina Müller

Das Ballhaus Ost in der Pappelallee ist eine rührige Kleinbühne, an der viele Künst­le­r:in­nen aus den freien Szenen der Stadt andocken. In den Netzwerken des Theaters und der Koproduzenten sind sie bekannt, mit der Produktion „Name her. Eine Suche nach den Frauen“ von Marie Schleef waren sie zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen. Seit 2010 wird die Spielstätte geleitet von Daniel Schrader und Tina Pfurr, die beide auch eigene Stücke machen. Und weil auch das Ballhaus Monate der coronabedingten Schließungen erleben musste, überlegte sich Daniel Schrader Stoffe, die open air spielen können, in Form eines Spaziergangs, mit Kopfhörern auf den Ohren und den Augen in die Umgebung gerichtet.

So kam es, dass in Folge 2 seiner Ambient-Reihe der Volkspark Rehberge in der Dämmerung von einer Gruppe theaterhungriger und performance-geschulter Be­su­che­r:in­nen heimgesucht wurde. Interessant war dieser Menschenauflauf für die vielen Hunde, die hier am Abend noch einmal Gassi gehen; die Waschbären, die auf dem Kamin des geschlossenen Parkcafés herumturnten, blieben hingegen unbeeindruckt.

„The War of the Worlds“ nach H.G. Wells war angekündigt, die mehr als 120 Jahre alte Erzählung über eine Invasion von Marsianern auf der Erde, ein Klassiker der Science-Fiction und eine Satire auf kolonialen Eroberungsdrang. Die Kopfhörer waren verteilt, die Gruppe zog langsam die Parkwege entlang zur großen Wiese, man hörte erste Texte zu den Marsbewohnern, deren Planet sich in eine unbewohnbare Wüste zu verwandeln drohte, – ja, dachte man da womöglich, das ist jetzt ja auch irgendwie unsere Geschichte, sicher werden sich in der Performance irgendwann die Schrecken der Gegenwart in den Horror mischen, der von Tentakel bewehrten Marsianern ausgeht. Überraschenderweise aber blieb es im Hörstück ganz bei dem Grauen, dass diese anrichteten.

Mal flüsterten die Stimmen im Ohr, mal klangen sie wie panische Rufe aus weiter Ferne. Immer sehr nah am Geschehen waren die Erzählenden, anfangs neugierig ein unbekanntes Etwas, das auf der Erde gelandet war, beschreibend, dann voller Ekel über die Ankömmlinge, schließlich ganz auf Härte geschaltet, „Bombe drauf“ und Ende. Da war die Gruppe nach der Durchquerung der großen Wiese schon an einem kleinen Amphitheater angekommen, hatte ein paar Picknicker verscheucht und sah vor sich vier Per­for­me­r:in­nen in glitzernden Umhängen, ein wenig mit Schwertern fuchtelnd.

Man ist vor allem damit beschäftigt, nicht über Wurzeln zu stolpern

Es macht den Reiz von performativen Walks aus, das der gehörte Text, das Alltagsgeschehen in der Umgebung und die theatralen Zugaben nicht zur Deckung gebracht werden. Die Wahrnehmung der Spazierenden, die mehrgleisig fahren muss, öffnet sich dadurch in glücklichen Fällen auch und ermöglicht Erkenntnisblitze, sowie man im Traum etwas zu wissen meint, was hinterher zu Staub zerfällt.

In den Rehbergen sind die Bilder sparsam gesetzt. Daniel Schrader lässt die Performenden farbige Bänder schwenken – eine auf Theaterbühnen inzwischen beliebte Gymnastik – das wirkt wie Signale aus der Ferne, die die alarmistische Stimmung des Textes irgendwie niedrigschwellig unterlaufen. Auch die Fantasieritter karikieren eher die Stimmung von Aufrüstung und Überlebenskampf, die von den Sprechenden und der Klangkulisse ausgeht. Am Ende ist man vor allem damit beschäftigt, auf den Pfaden durch das Gebüsch, Böschung hoch, Böschung runter, dunkel ist es inzwischen, über keine Wurzeln zu stolpern. Die Empathie mit den letzten Überlebenden des Marsianerangriffs, die wie Ratten in der Kanalisation Schutz suchen, hält sich in Grenzen.

Das ist dann doch eine etwas bescheidene Ausbeute eines Theaterwalks. Schade, denn das Format hat einen großen Charme. Aber wenigstens war man einmal mehr im Volkspark Rehberge gewesen.

Wieder am 24. + 25. September, 18.30 Uhr. www.ballhausost.de

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