Urteil wegen Terrorismus in Ruanda: 25 Jahre für „Hotel Ruanda“-Held
Der frühere ruandische Hotelmanager Paul Rusesabagina ist als Organisator einer Terrororganisation in Kigali zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.
Das Urteil gegen den ehemaliger Vize-Direktor des Hotels Mille Collines in Kigali, wo während des ruandischen Völkermords 1994 verfolgte Tutsi Zuflucht fanden, kam am Montag nicht unerwartet. Ruandas Regierung führte den 67-jährigen Ruander, der mittlerweile die belgische Staatsangehörigkeit angenommen hat, als einen der meist gesuchten Feinde des Landes. Er galt in den vergangenen Jahren als einer der einflussreichsten Exilpolitiker, der gegen die Regierung in Kigali mobilisierte.
Im Westen ist Rusesabagina, ein Hutu, als „Held“ bekannt, dessen Rolle als Hotelmanager im Hollywoodfilm „Hotel Ruanda“ 2004 verfilmt worden war. Er wird darin als Retter von über tausend Tutsi porträtiert, die in den Hotelzimmern Schutz gefunden hatten. Die meisten dieser Überlebenden kritisierten später, die Heldenrolle habe nicht der Wirklichkeit entsprochen.
Das Urteil in Kigali bestätigt nun: Rusesabagina sei als politischer Führer der Oppositionskoalition MRCD (Ruandische Bewegung für Demokratischen Wandel) und deren bewaffneten Flügels FLN (Nationale Befreiungsfront) für die Terroranschläge 2018 in Ruanda verantwortlich.
Argumentation aus Stuttgart übernommen
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die FLN die gezielten Angriffe gegen die Zivilbevölkerung im Juni und Juli 2018 begangen habe. Es bestätigte ebenfalls, dass es sich bei den Überfällen gegen einen Bus, der Ermordung der Passagiere durch den Einsatz von Feuerwaffen sowie der Entführung von Zivilisten um terroristische Anschläge gehandelt habe.
2018 gründeten verschiedene, teils bewaffnete ruandische Exilgruppen aus dem Kongo, Südafrika und anderen Ländern die Koalition MRCD mit Rusesabagina als Präsidenten. Als bewaffneter Flügel der MRCD fungierte die aus dem Kongo heraus kämpfende FLN. Die FLN rekrutiert sich vor allem aus ehemaligen Kämpfern und Kommandeuren der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), deren Anführer bereits 2015 in Deutschland vor Gericht standen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die FDLR als Terroristische Vereinigung eingestuft.
Dieselbe Argumentation wie in Stuttgart hat nun auch das ruandische Gericht angewandt. Die Staatsanwaltschaft konnte Rusesabagina und seinem Mitangeklagten Callixte Nsabimana nachweisen, dass sie im Vorfeld der Anschläge 2018 über die geplanten Taten informiert worden waren. „Sie haben den Militärchef des FLN, General Hamada, instruiert, die Angriffe durchzuführen“, so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Die beiden Angeklagten seien zwar nicht persönlich vor Ort gewesen, ihre Führungsrolle mache sie dennoch verantwortlich für die Taten.
Das Gericht sah es auch als erwiesen an, dass Rusesabagina nach den Anschlägen in seiner Rolle als politischer Führer in den internationalen Medien wie BBC die Anschläge „zugegeben“ habe und die FLN-Kämpfer im Vorfeld gezielt mit Waffen und Nahrungsmittelrationen ausgestattet habe, für welche er die Gelder besorgt hatte.
Verteidigung sprach von „Entführung“
Beweise für diese Verantwortlichkeit für die Terroranschläge habe das Gericht vor allem den Emails entnommen, die belgische Ermittler auf Rusesabaginas Laptop gefunden hatten, als sie sein Haus in Belgien durchsucht und ihn zu den Vorwürfen aus Ruanda befragt hatten. Er habe während der Vernehmung und später in seine Aussagen vor Gericht zugegeben, Gründungsmitglied der MRCD zu sein.
Rusesabagina habe in zahlreichen Kommunikationen, darunter in einem Brief an die Vereinten Nationen, sich klar zu den Anschlägen der FNL bekannt und angekündigt, die FNL verfolge das Ziel, die Regierung Ruandas zu stürzen, argumentiert der ruandische Richter. Er habe durch seine Unterschrift unter den Pressemitteilungen der Miliz seine Rolle innerhalb dieser Organisation bestätigt. Er sei also von vorne herein „in Kenntnis“ gewesen, dass diese bewaffneten Gruppen Terroranschläge planen und durchführen wollen.Er habe diese nicht verhindert.
Am meisten umstritten war von Beginn des Prozesses an die dubiose „Verhaftung“ von Rusesabagina. Er war 2019 aus den USA nach Dubai geflogen. Von dort wollte er mit einem angemieteten Privatjet nach Burundi, Ruandas Nachbarland. Ein burundischer Pfarrer hatte ihn eingeladen, dort einen Vortrag zu halten. Stattdessen landete er in Kigali, wo Soldaten ihn auf der Landebahn aus dem Jet zerrten – wohl eine Geheimdienstoperation.
Rusesabaginas Verteidigung hatte argumentiert, es sei von Ruandas Geheimdienst „entführt“ worden, somit sei seine Verhaftung illegal. Diese Argumentation wies das Gericht zurück. Es sei keinerlei Gewalt angewandt oder die Souveränität eines anderen Landes verletzt worden. Insofern sei dieser Einwand ungültig.
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