: Ischa Klimacamp
Alle wollen dasselbe. Nur: Vor lauter Harmonie versäumt es der Senat, eine Interessenkollision zwischen Klima-Mahnwache und Schausteller*innen aufzulösen
Wolfgang Ahrens, Schaustellerverband
Von Benno Schirrmeister
Es gibt keinen Streit um den Klimacamp-Standort am Grasmarkt, wo während des Kleinen Freimarkts traditionell ein Kinderkarussell steht. Ja, im Grunde konkurrieren noch nicht mal Interessen um ihn. Aber an ihm zeigt sich: Auch gemeinsame Anliegen sind kein Garant für Harmonie. Denn die Bremer Klimacamper*innen haben in ihrem Plenum am Dienstagabend beschlossen, nach der Bundestagswahl umziehen zu wollen. Und dann wäre, teilt das Wirtschaftsressort mit, „trotz des marktrechtlich festgesetzten Alternativstandortes möglich, dass das Kinderkarussell wieder wie gewohnt am Rathaus aufgestellt wird“.
Bloß, was den Aktivist*innen fehlt, ist ein alternativer Standort. „Das Ordnungsamt hat uns keinen genannt“, sagte Camp-Sprecher Paul-Nikos Günther am Mittwoch. Dabei sei genau das für vergangenen Freitag in Aussicht gestellt gewesen. Stattdessen habe man einfach nur „die Sondernutzungserlaubnis bis 31. Oktober verlängert bekommen“. Das Innenressort bestätigt das.
Die Klimacamper*innen in Oldenburg sehen sich von der Polizei bei Pöbler-Attacken im Stich gelassen. In Hannover hat erst die CDU zum Angriff gegen die Aktivist*innen geblasen, weil sie den Wahlkampf durch politisch-inhaltliche Forderungen gefährdet wähnt. Später glaubte die Polizei dort, die Sonntagsruhe gegen Transparente verteidigen zu müssen, die für die Bewahrung der Erde werben (taz vom 8. 9.). Dagegen hat der rot-grün-rote Bremer Senat zu einer grundsätzlich affirmativen Haltung bezüglich der Dauermahnwache gefunden. Bloß konserviert diese Haltung jetzt einen Konflikt, der sich ohne CO2-Ausstoß in Nichts auflösen ließe.
Laut Innenressort wurde die Umzugsfrage aufgeschoben, weil die „kollidierenden Veranstaltungen“ – also Marathon und Kleiner Freimarkt – „ihr Interesse zurückgestellt“ hätten. Die Kirmes veranstaltet die Wirtschaftssenatorin, und die hat entschieden, das Kinderkarussell „auf einem alternativen Standort auf dem oberen Domshof zu platzieren“. Es sei aber „natürlich weiterhin möglich, dass das Ordnungsamt mit dem Klimacamp über andere Standorte für ihr Camp“ spreche. Das Ordnungsamt untersteht dem Innensenator.
Die Schausteller*innen würden den Platz gern wie gewohnt bespielen. Mindestens aber möchte man von der Wirtschaftssenatorin eine Ausweichmöglichkeit benannt bekommen: „Uns wurde da noch nichts mitgeteilt“, so Wolfgang Ahrens, Geschäftsführer des Schaustellerverbandes. Ja, die gesamte Innenstadtbebauung sei noch unklar. „Was uns irritiert, ist, dass wir noch keine Möglichkeit zur Planung haben.“
Die Entscheidung der Aktivist*innen, lieber den Standort direkt am Rathaus zu räumen, hatte sich schon abgezeichnet. „Das ist hier ein lebensfeindlicher Ort“, so hatte Paul-Nikos Günther Ende August signalisiert, dass „die Tendenz klar pro Umzug nach der Bundestagswahl“ gehe. Es müsste also keinerlei Kollision mit den Schausteller*innen-Interessen geben: Der Freimarkt beginnt am 15. Oktober. Eine Woche reicht satt, um ein Kinderkarussell aufzubauen.
Bloß: Wer sitzt auf dem Schwan und wer bekommt den Elefanten? Laut Innenressort war das Ordnungsamt bis vergangene Woche im Dialog mit den Camper*innen bezüglich der Frage, „ob es die Möglichkeit gibt, auf eine andere Fläche auszuweichen“, wie es auf Anfrage der taz geheißen hatte. Jetzt hingegen gehe „die Versammlungsbehörde davon aus, dass die Aktivist:innen bis Ende Oktober am Grasmarkt bleiben wollen“, so die Antwort gestern.
Die Selbstwahrnehmung der Aktivist*innen ist eine andere: Auch wenn man jetzt eine verbriefte Erlaubnis habe, den Freimarkt vis-à-vis der Domtreppen durchzustehen, erläutert Günther den Plenumsbeschluss von Dienstag, wäre ein Umzug auf eine akzeptable, wahrnehmbare Fläche möglich. „Wir würden das sofort machen.“
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