Konflikt in Georgien um Südossetien: Realität und Vision
Vor 13 Jahren fand der Südkaukasuskrieg statt. Die Wunden sind noch immer tief. Ein Mediator möchte sie lindern – mit einem Workshop in den Bergen.
Die „Mauer“, die uns trennt! 13 Jahre nach dem August-Krieg im Südkaukasus. Eine undurchlässige Grenze trennt Georgien und Südossetien. Die Wunden aus der Vergangenheit sind tief. Junge Menschen aus der Region blicken mit Mitteln der Plakatkunst auf ihre Gegenwart und Zukunft. Die Botschaft: etwas zum Besseren zu ändern und dafür gemeinsam Brücken zu bauen. Zu sehen sind ihre kreativen Arbeiten, die im Rahmen eins 18-monatigen Workshops der georgischen NGO „Coalition for IDPs Rights“ entstanden sind. Eröffnung: 3. September 2021, 19 Uhr im GJUUM Social Lab e.V., Eberstr. 77 10827 Berlin.
Südossetien ist ein autonom verwaltetes Gebiet im Norden Georgiens, nur rund 3.900 Quadratkilometer groß, geschätzt weniger als 40.000 Menschen leben dort. Südosset*innen und Georgier*innen sprechen zwei nicht miteinander verwandte Sprachen, schreiben in unterschiedlicher Schrift. Auch deshalb sollen die jungen Frauen und Männer an diesem Tag künstlerische Poster für sich sprechen lassen.
Die Präsentation ist Teil eines Workshops, den die georgische NGO „Coalition for IDP’s Rights“ – Bündnis für die Rechte von Binnenflüchtlingen – vor anderthalb Jahren für Georgier*innen und Südosset*innen gestartet hat. Die Idee sei es, „negative Stereotype in den jeweiligen Gesellschaften aufzubrechen und so Möglichkeiten für eine Annäherung zu eröffnen“, sagt der Workshopleiter und Vorsitzende des Bündnisses, Zurab Bendianischwili.
Seit fast 30 Jahren ist er in der Konfliktbearbeitung aktiv und weiß: „Gerade die junge Generation kann in Zukunft zu einem wichtigen Akteur werden, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.“
Obwohl er sich über das Engagement seiner Schützlinge freut, ist seine Stimmung gedrückt, denn an diesem Tag sind die Südosset*innen gar nicht dabei. Um nach Georgien zu gelangen, müssen sie über Russland einreisen, doch die russischen Grenzbeamten lassen sie nicht nach Georgien.
Auch mehrere Versuche, sie per Videochat hinzuzuschalten, scheitern, an einer schlechten Internetverbindung. Der 18-jährige Davit sagt: „Es ist schade, dass sie nicht kommen konnten.“ Südossetien gleiche eben doch einem großen Gefängnis.War die Grenze zuvor zumindest teilweise durchlässig, ist die Region nun völlig abgeschottet.
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Kontakte und Begegnungen, die unterbunden oder erschwert werden, Feindbilder, die immer weitergetragen werden – das ist die traurige Realität seit dem Krieg im Jahr 2008. In der Nacht vom 7. auf den 8. August nahmen damals georgische Truppen die südossetische Hauptstadt Zchinwali unter Beschuss. Der damalige georgische Staatspräsident Michail Saakaschwili glaubte, die abtrünnige Region Südossetien im Handstreich wieder unter die Kontrolle von Tiflis bringen zu können. Eine fatale Fehleinschätzung, die auch auf der Annahme beruhte, der Westen werde ihn unterstützen.
Schon zu Sowjetzeiten haben sowohl Südossetien als auch Abchasien – eine Region im äußersten Westen Georgiens – einen weitgehenden Autonomiestatus in der georgischen Sowjetrepublik. Nach der Unabhängigkeit Georgiens 1991 wird Swiad Gamsachurdia, ein erklärter Nationalist, zum ersten Präsidenten gewählt. Das befeuert in beiden Regionen separatistische Bestrebungen. In Südossetien und in Abchasien kommt es Anfang der 90er Jahre zum Krieg. Allein letzterer fordert Schätzungen zufolge zwischen 10.000 und 15.000 Tote.
Auch im August 2008 eskaliert der Konflikt, Moskau mischt sich ein: Am 8. August greifen russische Truppen eine georgische Militärbasis an, rücken weit auf georgisches Territorium vor. Vier Tage später handelt Frankreich im Mandat der EU-Ratspräsidentschaft mit Russland einen Sechs-Punkte-Plan aus. Der Krieg ist beendet. Die Bilanz: schätzungsweise 850 Tote, rund 2.500 Verletzte und 100.000 Menschen, die über Nacht zu Binnenflüchtlingen werden, größtenteils Georgier*innen, die in Südossetien leben. Am 26. August 2008 erkennt Moskau die Unabhängigkeit Südossetiens an.
Heute, 13 Jahre nach dem Ende des Krieges, hat Russland in Südossetien Fakten geschaffen. Moskau hat seine militärische Präsenz ausgebaut – ein klarer Verstoß gegen den Sechs-Punkte-Plan, der eine Reduzierung der Truppen auf den Stand von vor 2008 vorsieht.
Das Ansinnen des Kremls ist eindeutig: Durch die Präsenz soll die fortschreitende Westanbindung Georgiens – auch im Hinblick auf einen möglichen Beitritt zur Nato – torpediert werden. Mittlerweile finanziert Moskau rund 90 Prozent des südossetischen Staatshaushalts. Vor allem junge Leute, die studieren wollen, verlassen mangels Perspektiven die Region. Dabei bleibt ihnen als einzige Alternative oft nur der Weg nach Russland.
Grenzschutztruppen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB sichern die Demarkationslinie, die de facto undurchlässig geworden ist und sich langsam, aber stetig weiter ins Landesinnere Georgiens verschiebt. Immer wieder kommt es dort zu Vorfällen. Etwa wenn georgische Bauern ihrem wandernden Vieh über die Grenze folgen und auf der südossetischen Seite festgenommen werden. Solche Vorkommnisse dokumentiert die European Monitoring Mission der EU. Sie ist seit 2008 mit rund 200 unbewaffneten Beobachter*innen vor Ort, jedoch ohne Zugang zu Südossetien.
Seit 2010 finanziert die EU zudem das Programm „Confidence Building Early Reponse Mechanism“. Sein Ziel ist, zur Entspannung zwischen Georgien sowie Abchasien und Südossetien beizutragen. Auch Zurab Bendianischwili, der Konfliktmediator, finanziert einen Großteil seiner Aktivitäten aus diesem Programm.
Auf die Frage, wie seine persönliche Bilanz des Workshops lautet, sagt er: „Für mich war es interessant zu beobachten, wie sich die Teilnehmer*innen während des Projekts verändert haben. Sie sind für mich eine große Hoffnung, dass wir in dieser Region wirklich etwas verändern können.“
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